DAS IST STIL
: Es lebe die Paris Bar

Also beschloss ich, den Großkotz zu spielen

Die Paris Bar in Charlottenburg ist eine Institution. Ob es um das gleichnamige Bild von Kippenberger über dem Tresen geht, die metallene Plakette an Otto Sanders ewigem Sitzplatz oder die Trinkgelage der angeblichen High Society in den Morgenstunden, Geschichten gibt es hier genug zu erzählen. Ich war bereits peinlich berührt, als wir das Lokal betraten, musste ich doch gerade mit der buckligen Verwandschaft aus Westdeutschland Heinz Hoenig dabei zuschauen, wie er, souverän, aber gelangweilt, im Theater des Westens mit Pferdepuppen agierte. Der Rest der Besetzung in „Gefährten“ sah gegen die mechanisch stolzierenden Pferde ziemlich blass aus, ungefähr so, als würde Veronica Ferres gegen einen wild blinkenden Parkscheinautomaten antreten. Da ist auch klar, wer mehr beeindruckt.

Nach diesem zweifelhaften Erlebnis brauchte ich dringend etwas Aufheiterndes. Also beschloss ich, den Großkotz zu spielen und die anhängliche Sippe in die Paris Bar einzuladen. Die Karte wartete mit Klassikern auf, darunter Rinderfiletspitzen, Salat mit warmem Ziegenkäse und als Beilage Bohnen oder Süßkartoffeln.

Nur mein Cousin konnte sich mit den Beilagen nicht so recht anfreunden. „Gibt’s auch Pommes?“, fragte er, und ich war bereit, die Fallklappe zu meinen Füßen zu öffnen, um ins ewige Jenseits zu verschwinden. Der Kellner lächelte. „Möchten Sie Pommes?“, fragte er und bekam ein „Ja, will ich!“ als Antwort. Ich wiederum wollte dafür gerade um Entschuldigung bitten, als der Kellner, ohne mit der Wimper zu zucken, den Laden verließ, in voller Montur die Hauptstraße überquerte und bei der Currywurstbude im Bahnhof Zoo eine Portion Pommes bestellte, die er uns anschließend freundlich lächelnd an den Tisch brachte.

Hier nur von Stil und Klasse zu sprechen wäre die Untertreibung des Jahrhunderts. JURI STERNBURG