Abenteuer und Landeskunde

FERIENLEKTÜRE Mit dem Hund Grk nach Paris, mit den Olchis nach Ägypten, gar zu den ungewöhnlichsten Wohnhäusern der Welt gehen die Reisen in vier neuen Kinderbüchern

Das Erdhöhlenhaus des Schweizers Peter Vetsch liegt direkt unter einer Wiese

VON KATHARINA GRANZIN

In Paris sollte man für die Métro am besten eine Zehnerkarte kaufen. Außerdem gibt es zwei verschiedene Arten von Zügen, die normale U-Bahn und das Expressnetz RER.

Solch praktisches Reisewissen erwirbt man bei der Lektüre von „Grk ist nicht zu fassen“ aus der beliebten „Grk“-Reihe des britischen Kinderbuchautors Joshua Doder. Der Hund Grk ist mit den Kindern Tim, Natascha und Max regelmäßig zum Abenteuererleben in der Welt unterwegs. Dieses Mal geht die Reise an die Seine; aus haarsträubendem Anlass, denn Max plant, den bösen Oberst Zinfandel zu töten, der in seinem und Nataschas fiktivem Heimatland die Eltern der Kinder hat umbringen lassen.

Rache und nützliche Sätze

Natascha will ihren Bruder um jeden Preis davon abhalten, zum Mörder zu werden. Bei der wirklich recht spannenden Verfolgungsjagd durch Paris erfährt man Wissenswertes über den Eiffelturm, lernt nützliche Sätze auf Französisch und macht eine Seinefahrt mit dem Dampfer. Das Konzept, den Abenteuerroman mit Landeskunde für Kinder im fortgeschrittenen Grundschulalter zu verbinden, ist Joshua Doder durchaus geglückt.

Kinder lieben Grk-Bücher und lernen bestimmt viel daraus. Doch sollten sie sie unbedingt allein lesen, denn für Erwachsene gibt es Schöneres. Reiseführerhafte Exkurse, zahllose alltagsdidaktische Einsprengsel wie „Tim und Natascha hielten ihre elektronischen Fahrausweise an das Lesegerät, drückten die Eingangsschranke und fuhren auf der Rolltreppe nach unten“ oder Benimmtipps wie „Vordrängeln ist immer unhöflich“ machen das Vorlesen zu einer rechten Zumutung. Schon in Ordnung, wenn pädagogisch engagierte Autoren wie Doder sich an der Erziehung anderer Leute Kinder beteiligen möchten. Aber das sollen sie lieber mit den Kleinen direkt ausmachen.

Für Vorleser deutlich lohnenswerter sind Erhard Dietls Olchi-Bücher. Auch die Olchis – eine Familie grüner Stinklinge mit Hörhörnern – gehen gern mal auf Reisen. In ihrem neuesten Abenteuer „Die Olchis und die grüne Mumie“ landen Olchipapa und Olchikinder in Ägypten, was ein geradezu klassisches Sujet im Kinder-Reisebuch ist. In der unbekannten Pyramide, die sie in der Wüste entdecken, stoßen sie auf eine Mumie mit grünen Hörhörnern – die erste Olchi-Mumie der Welt!

Schluck Benzin gefällig?

Für die goldene Gräte, die sie aus dem Grab entwenden, werden sie später einen Kleiderhaken zurückbringen, um den Fluch des Olchi-Pharaos wieder von sich abzuwenden. Aber das dauert, weil nämlich der Jeep mitten in der Wüste stehen geblieben ist, nachdem das eine Olchikind das Benzin ausgetrunken hat. Dietl verpackt auf bewährte Art landeskundliche Versatzstücke in Olchi-Situationskomik. Das mag so routiniert daherkommen, wie es will, es macht doch immer wieder Spaß.

Eine Szene aus „Die Olchis und die grüne Mumie“ wiederholt sich lustigerweise in Mauri und Tarja Kunnas’ „Herr Schnorchelmütz und die sieben Weltwunder“ ebenso. Hier wie dort ragt ein steinern spitzes Ding aus dem Boden – die Olchis finden darunter ihre Pyramide; bei Herrn Schnorchelmütz gräbt man einen Obelisken aus.

„Herr Schnorchelmütz und die sieben Weltwunder“ ist ein Bilderbuch mit viel Text, von dem auch Kinder im Vorschulalter schon etwas haben. Die sieben Weltwunder werden hier innerhalb einer losen Rahmenhandlung – die Gewinner eines Preisausschreibens machen eine Weltreise – vorgestellt. Die Zeichnungen changieren zwischen Bildergeschichte und Wimmelbild und bieten tausenderlei zu entdecken.

Liest sich weg wie nix

Was den Text betrifft, so ist es der inspirierten Übersetzung von Nina Schindler, die für jede Figur einen wunderbar sprechenden Namen findet, zu danken, dass das Ganze sich wegliest wie nix. Danach kann man noch einmal von vorn blättern, um ganz in Ruhe die Bilder anzugucken.

Wahrscheinlich das schönste aller aktuellen Blätterbücher aber ist „Treppe, Fenster, Klo“ der polnischen Künstler Aleksandra Machowiak und Daniel Mizielinski. „Die ungewöhnlichsten Häuser der Welt“, so der Untertitel, haben sie zusammengetragen und stellen jedes davon in einem kurzen Text und ein paar Zeichnungen vor. Ein toller Einblick in die aktuelle internationale Architekturszene ist dabei entstanden, inspirierend für Kinder wie für Erwachsene.

In ihrem neuesten Abenteuer „Die Olchis und die grüne Mumie“ landen Olchipapa und -Kinder in Ägypten

Nicht die großen Renommierprojekte werden hier vorgestellt, sondern wahre menschliche Behausungen; meist Einfamilienhäuser, manchmal Wohnblocks, auch kleinere Funktionsgebäude wie Teehäuser oder Forschungseinrichtungen, natürlich das eine oder andere Baumhaus und sogar ein Extrazimmer, das sich außen an der Fassade anhängen lässt, wenn die Wohnung zu klein geworden ist (das „Rucksackhaus“ des deutschen Bildhauers Stefan Eberstadt).

Raumschiff in der Wüste

Viele der Projekte setzen sich sehr betont, und je nach Anforderung auf extrem unterschiedliche Weise, mit der natürlichen Umgebung auseinander. Das Erdhöhlenhaus des Schweizers Peter Vetsch etwa liegt, demonstrativ naturverbunden, praktisch direkt unter einer Wiese und scheint weniger für Menschen als für Hobbits gemacht zu sein. Im Gegensatz dazu hat die Behausung, die der Amerikaner Steven Holl mitten in die Wüste von New Mexico gesetzt hat, mit ihrer glänzenden, lichtreflektierenden Aluminiumhaut und dem großen Loch, durch das der Wind pfeift, eher Raumschiffcharakter. Der menschliche Erfindergeist, so zeigen diese unterschiedlichen Konzepte, ist unendlich flexibel, wenn es darum geht, sich wo auch immer wohnlich niederzulassen.

Die Zeichnungen von Machowiak/Mizielinski, die sich spielerisch in der Anmutung und präzise in den Details geben, vermitteln einen Eindruck vom architektonischen Konzept und der Nutzung des jeweiligen Hauses. Man sieht Kinder beim Spielen, Haustiere beim Herumlungern, Erwachsene beim Kaffeetrinken oder Arbeiten. Oft stehen auch alle da wie für ein Gruppenfoto und blicken den Betrachter direkt an.

Auch die kleinsten unter den zukünftigen Architekten, die dieses Buch ansehen, merken so: Das Schöne an der Architektur ist, dass sie für Menschen gemacht wird. Überall auf der Welt.

Joshua Doder: „Grk ist nicht zu fassen“. Aus dem Englischen von Franziska Gehm. Beltz & Gelberg, Weinheim 2010. 225 S., 12,95 Euro

Erhard Dietl: „Die Olchis und die grüne Mumie“. Oetinger, Hamburg 2010. 172 S., 12 Euro

Mauri Kunnas: „Herr Schnorchelmütz und die sieben Weltwunder“. Deutsch von Nina Schindler. Oetinger, Hamburg 2010. 51 S., 12,90 Euro

Aleksandra Machowiak/Daniel Mizielinski: „Treppe, Fenster, Klo. Die ungewöhnlichsten Häuser der Welt“. Aus dem Polnischen von Dorota Stroinska. Moritz Verlag, Frankfurt am Main 2010. 155 S., 18 Euro