Scientology hilft Schülern nach

Die Scientology-Organisation verstärkt ihre Aktivitäten in der außerschulischen Nachhilfe und profitiert dabei von steuerlichen Vorteilen. Landesregierung sieht keine Möglichkeit, aktiv zu werden. Kritiker warnen vor Verharmlosung

DÜSSELDORF taz ■ Scientology braucht neue Klienten. Aus diesem Grund engagiert sich die vom Verfassungsschutz beobachtete Organisation verstärkt in der Nachhilfe von Schülerinnen und Schülern. Die Institute hätten sich bundesweit in den vergangenen beiden Jahren mehr als verdoppelt, sagt Helga Lerchenmüller, Mitarbeiterin des Vereins Aktion Bildungsinformation (ABI). „31 Niederlassungen der Scientology-Unterorganisation ‚Applied Scholastics‘ sind bekannt, die Dunkelziffer liegt noch darüber.“

In der Liste tauchen fünf Adressen aus Nordrhein-Westfalen auf. Einzelpersonen aus Oelde und Essen, sowie Institute, die auf die Namen „Die Unbeugsamen“ (Münster), „Nachhilfeschule Primus“ (Lichtenau) oder die Sprachenschule Overath sind der „Scientology Organisation“ (SO) angeschlossen.

Eine Zahl, die auf den ersten Blick nicht allzu erschreckend erscheint – landesweit gibt mehr als 1.000 private Nachhilfeinstitute. Neben „Applied Scholastics“, fühlen sich noch die Organistionen „Zentrum für individuelles und effektives Lernen“ und „Ziel Concept“ der Lehre des Scientology-Gründers Ron Hubbard verpflichtet. „Wir rechnen mit einer massiven Zunahme der von Scientology beeinflussten Institute“, sagt Lerchenmüller. Auch der Deutsche Philologen-Verband warnt vor verstärkten Aktivitäten der SO.

Ein Grund für das gesteigerte Engagement könnte ein Urteil des Finanzgerichts Köln sein: Scientology beantragte wegen des Doppelbesteuerungsabkommens (DBA) zwischen der BRD und den USA für seine Unterorganisationen eine Steuerfreiheit von Lizenzgebühren. Am 24. Oktober 2002 stimmte das Gericht dem Antrag in erster Instanz zu. Obwohl vom Finanzgericht aufgefordert, verzichte der Bundesfinanzhof auf eine Revision. „Über die Nachhilfe-Institute kann nun massiv Geld beiseite geschafft werden“, glaubt Lerchenmüller.

Bundesweit werden der Organisation fünf bis sechstausend Mitglieder zugerechnet. In Nordrhein-Westfalen sind es etwa 400. Die Anerkennung als Kirche oder Religionsgemeinschaft blieb Scientology bislang verwehrt. „Bei der ‚Scientology-Organisation‘ bestehen tatsächliche Anhaltspunkte für Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung“, heißt es im Bericht des Bundesamtes für Verfassungsschutz. Im NRW-Bericht wird Scientology seit 2001 allerdings nicht mehr erwähnt. „Wir beobachten die Gruppe aber weiterhin“, sagt Dagmar Pelzer, Sprecherin des NRW-Innenministeriums. Eine Handhabe gegen die Nachhilfeangebote gebe es allerdings nicht, so Pelzer. „Von ihnen gehen keine direkten politischen Bestrebungen aus.“

Maria Böhmer, Vorsitzende der Frauen-Union der CDU, nannte die aktuellen Berichte dennoch beunruhigend: „Ich unterstütze daher die Praxis von Nachhilfeinstituten, von ihren Mitarbeitern eine Selbstverpflichtung abzuverlangen, dass sie nicht Scientology angehören“, sagte sie gestern der Welt. Eine gesetzliche Regelung gibt es bislang nicht.

Die Grünen im Landtag warnen deshalb davor, die scientologische Nachhilfe zu unterschätzen. Die bildungspolitische Sprecherin der Grünen, Sigrid Beer, stellte vor zwei Wochen eine kleine Anfrage an das NRW-Schulministerium: Werden die Institute kontrolliert? Werden die Eltern informiert?, hieß es dort sinngemäß. Bislang habe es keine Antwort gegeben. Dabei wird es wohl auch bleiben. „Wir sind für außerschulische Belange nicht zuständig“, sagte ein Ministeriumssprecher auf taz-Anfrage.

HOLGER PAULER