Brechmittel und Rechtsstaat
: Folter aus politischem Kalkül

Vor fast fünf Jahren starb Achidi John. Die Ursache für seinen Tod ist noch immer ungeklärt. Gesichert ist nur, dass er gewaltsam ums Leben kam. Juristisch gesehen wurde er wahrscheinlich nicht einmal Opfer vorsätzlicher Körperverletzung mit Todesfolge. Fahrlässigkeit aber darf allemal unterstellt werden.

Kommentarvon SVEN-MICHAEL VEIT

Offensichtlich ist, dass der Tod eines Menschen seinerzeit billigend in Kauf genommen wurde. Von Hamburger Politikern, die gerade einen Bürgerschaftswahlkampf hinter sich hatten, der im Schatten des Themas Innere Sicherheit stand. Es war politisches Kalkül, das gewaltsame Einflößen von Brechmitteln zu erlauben, es war politisches Risiko, Verletzungen oder gar einen Tod in Kauf zu nehmen.

Das war damals und ist heute weiterhin mit rechtsstaatlichen Prinzipien nicht vereinbar, denn in seinem Kern ist es inhuman. Die Sicherstellung von Beweismitteln für juristische Zwecke darf nicht die Anwendung von Zwangsmitteln rechtfertigen, die körperliche Qualen des Verdächtigen zur Folge haben. Die Suche nach Beweisen darf nicht zur beiläufig verhängten Strafe werden.

Dieses Land bedient sich, seit es sich demokratisch nennt, nicht mehr der Folter. Eine Lehre aus der Geschichte, die im Rathaus aus populistischen Gründen ignoriert wurde. Das hätte niemals geschehen dürfen. Hamburgs Justiz wird sich nun mit der Frage zu beschäftigen haben, ob dieser Stadtstaat Menschenrechte missachtete. Er hat. Was zu beweisen wäre.