Sonnencreme schützt die Haut, schadet der Leber

Weichmacher und UV-Filter können wichtige Organe von Säugern schädigen. Bisher galt, dass sie nur auf Geschlechtsorgane von Schnecken wirken

Hormonell wirksame Umweltchemikalien sind vermutlich viel gefährlicher als bisher vermutet. Die als Weichmacher in Verpackungsmaterialien für Lebensmittel, in Pestiziden oder in der Kosmetikindustrie eingesetzten Substanzen beeinflussen nicht nur die Geschlechtsentwicklung von Fischen, Schnecken und Krokodilen. Sie wirken auch auf Zellen und Organe von Säugetieren. Zu diesem Ergebnis kommen Wissenschaftler der Göttinger Universität.

Die Forscher hatten im Rahmen eines dreijährigen internationalen EU-Projektes die Wirkung mehrerer Substanzen untersucht, die im Verdacht standen, das Hormonsystem zu beeinflussen. „Dabei konnte erstmals der wissenschaftliche Nachweis geführt werden, dass die als „Endokrine Disruptoren“ bezeichneten Substanzen „auch außerhalb der Reproduktionsorgane wirken“, heißt es einer Erklärung. Als „Zielorgane“ wurden unter anderem das Gehirn, die Hirnanhangdrüse, die Leber, Knochen und die Schilddrüse identifiziert.

Unter den Testsubstanzen waren auch chemische Verbindungen, die als UV-Filter in Sonnenschutzcreme eingesetzt werden. Die getesteten UV-Filter durchdringen zwar nicht die gesunde Haut. Doch werden sie direkt in den Körper eingebracht, wirken einige der Sonnenschutzmittel wie weibliche Geschlechtshormone.

Die Göttinger Forscher prüften daher, wie die Sonnenschutzmittel auf neugeborene Tiere wirken. Die Tiere waren bei Geburt mit den Sonnenschutzmitteln behandelt und zwölf Wochen später untersucht worden. Bei den Tieren, die mit dem UV-Filter 4-methylbenzilidene camphor (4MBC) behandelt worden waren, konnten in der Prostata sowie in Schilddrüse, Gebärmutter und Eierstöcken „deutliche Effekte“ nachgewiesen werden.

In anderen Versuchen mit Mäusen verzögerten 4MBC und das in Kosmetika und Parfüm verwendete Benzophenon-2 die Pubertät der Tiere. Zudem wurden unerwünschte Nebenwirkungen in der Gebärmutter und den Knochen festgestellt.

„Auch wenn wir bisher keinen Hinweis darauf haben, dass die Sonnencremes schädlich sind, wenn sie auf der Haut angewendet werden, bleibt das Risiko, dass die Substanzen beispielsweise mit dem Badewasser verschluckt werden können“, warnte Professor Wolfgang Wuttke, der an der Uni Göttingen das EU-Projekt koordiniert. In der Schweiz hatten Forscher schon vor längerer Zeit darauf hingewiesen, dass einige als hormonell wirksam verdächtige Substanzen aus Sonnenschutzmitteln in relativ hohen Konzentrationen in Badeseen nachweisbar sind.

WOLFGANG LÖHR