Serbischer Haftbefehl gegen Mladić?

Zehn Jahre nachdem das UN-Tribunal Anklage erhob, wird die Regierung in Belgrad aktiv. Sie will vor allem die wegen Mladić abgebrochenen Verhandlungen mit der EU wieder aufnehmen. Seither erstarken die nationalistischen Kräfte

BELGRAD taz/dpa ■ Die serbische Regierung hat Berichte dementiert, sie habe einen Haftbefehl gegen den seit über zehn Jahren wegen Kriegsverbrechen angeklagten Ratko Mladić erwirkt. Es bestehe bereits ein Haftbefehl vom UN-Kriegsverbrechertribunal in Den Haag, begründete der für das Tribunal zuständige Politiker Rasim Ljajić gestern in Belgrad. Die Zeitung Danas hatte zuvor berichtet, ein serbischer Haftbefehl und ein Kopfgeld sollten die Verhaftung des früheren Militärchefs der bosnischen Serben im Bürgerkrieg (1992 bis 1995) ermöglichen. Dieselbe Zeitung zitierte auch einen Sprecher des UN-Tribunals, der die Geste Belgrads begrüßte.

Eine Woche vorher hatte die serbische Regierung von Vojislav Koštunica in Brüssel einen „Aktionsplan“ vorgestellt. Der Plan sollte die EU bewegen, ihre Anfang Mai wegen Mladić unterbrochenen Verhandlungen über eine Annäherung Belgrads an die EU wieder aufzunehmen. Welche praktischen Auswirkungen ein Haftbefehl durch Belgrad haben könnte, war zunächst nicht klar. Dem flüchtigen und in Serbien vermuteten Mladić wird die Ermordung von bis zu 8.000 Zivilisten im Juli 1995 in Srebrenica sowie der jahrelange Beschuss von Sarajevo vorgeworfen.

Das Ausbleiben einer europäischen Perspektive stärkt in Serbien die extrem nationalistischen und die antieuropäischen Kräfte. Laut Meinungsumfragen ist die Serbische Radikale Partei (SRS) mit über vierzig Prozent gegenwärtig die populärste serbische Partei, während alle regierenden Parteien zusammen nur rund 15 Prozent haben.

Über den Inhalt des Aktionsplans der serbischen Regierung zur Festnahme von Mladić sickerte bislang nur durch, dass er die Kontrolle der Sicherheitsdienste, vor allem des militärischen Geheimdienstes, vorsehe. Das UN-Tribunal fordert von Belgrad, dass es mit ausländischen Geheimdiensten kooperiert, das Netz von Mladićs Helfern aufdeckt, für jeden Punkt des Plans eine verantwortliche Person benennt, eine Koordination aller in die Fahndung einbezogenen Institutionen ermöglicht und die serbische Öffentlichkeit auf die Verhaftung Mladićs vorbereitet.

Ein ähnlicher Plan hatte schon zur Festnahme des kroatischen Generals Ante Gotovina geführt. KritikerInnen vermuten allerdings, dass Belgrad mit dem Aktionsplan nur Zeit gewinnen möchte.

Falls die Verhandlungen mit der EU nicht bis zum 1. Oktober wieder aufgenommen werden, will die Partei G 17 Plus aus der Regierung austreten. Falls Mladić mit Gewalt festgenommen wird, drohen hingegen die Milošević-Sozialisten (SPS), der serbischen Minderheitsregierung ihre parlamentarische Unterstützung zu entziehen. Bei Neuwahlen könnten rechtsradikale Kräfte mit einer absoluten Mehrheit rechnen. ANDREJ IVANJI

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