Wahlkampf der Armen

Die Parteirebellen der WASG in Berlin müssen bis September mit wenig Geld noch viele Stimmen holen

BERLIN taz ■ Der Berliner WASG wird es in den kommenden Wochen ähnlich gehen wie vielen jener Menschen in der Hauptstadt, auf deren Stimmen sie setzt: Sie wird in leere Geldschatullen starren. Mit einem Budget von insgesamt gerade einmal 55.000 Euro muss die Partei um die 26 Jahre alte trotzkistische Spitzenkandidatin Lucy Redler den Wahlkampf bis zur Abgeordnetenhauswahl bestreiten – einem Bruchteil der Summen, mit denen die Konkurrenz hantiert.

Keinen „Luxuswahlkampf“ zu führen, das passe prima zum Image seiner Partei, versicherte Landesvorstand Rouzbeh Taheri gestern bei der Vorstellung der Wahlkampagne der WASG. „Dass wir keine Bonbons oder Kugelschreiber an unseren Ständen verteilen, das bringt uns eher Sympathien ein.“

Gut möglich. Doch die Frage ist, wie viele Berliner die junge Partei mit ihrer Low-Budget-Kampagne überhaupt noch erreichen kann. Bisher schwankten die Prognosen für die Hauptstadt-WASG je nach Umfrageinstitut zwischen einem und knapp fünf Prozent. Der Einzug ins Abgeordnetenhaus ist alles andere als sicher.

Dafür ist die Gemengelage umso schwieriger: Die Berliner Wahlalternative tritt nicht nur gegen den Willen des eigenen Bundesverbands und in Konkurrenz zur etablierten Linkspartei.PDS an – sondern weiß dabei auch noch einen guten Teil der eigenen Basis gegen sich.

Doch auf Gratis-PR darf sich die Konkurrenztruppe zur PDS nicht verlassen. Denn der schlagzeilenträchtige innerparteiliche Machtkampf mit dem Bundesvorstand ist entschieden: Die Befürworter einer Fusion mit der PDS konnten den Alleingang der Berliner Parteirebellen gegen die linke Schwesterpartei nicht verhindern. Nun muss die Truppe um Lucy Redler also mit anderen Mitteln auf sich aufmerksam machen, um an die Stimmen der vom rot-roten Senat enttäuschten Berliner zu kommen.

Rund 20.000 Plakate will die Wahlalternative in der Hauptstadt kleben, 200.000 Zeitungen verteilen. Der offizielle Wahlkampfauftakt im August soll im Erdgeschoss eines Kreuzberger Seniorenheims stattfinden. Plakatmotive und den Slogan „100 Prozent sozial“ hat der Landesverband nach eigenen Angaben selbst entwickelt, weil das Geld für eine Werbeagentur fehlte.

Die hätte vermutlich auch die farbliche Gestaltung der Kampagne etwas anders erklärt als WASG-Stratege Taheri. Weil man gegen Rot-Rot schlecht mit Rot antreten könne und lila „nicht so schick“ sei, erläuterte er gestern vor der Presse, habe man Orange gewählt, „die Modefarbe des Sommers“. Orange sei zudem traditionell die Farbe der Berliner Stadtreinigung – und daher ein Pluspunkt. Schließlich genössen Straßenkehrer in der Bevölkerung inzwischen ein besseres Image als Politiker. ASTRID GEISLER