„Für die Leute auf dem Maidan“

SOLIDARITÄT Exil-Ukrainer in Berlin informieren mit einer ständigen Wache über Proteste in ihrer Heimat

Nun hat auch Berlin seinen Euromaidan. Klein und unscheinbar versteckt er sich in einer Ecke des weitläufigen Foyers der Heinrich-Böll-Stiftung in Mitte. Etwa zehn Fotos von ernst blickenden jungen Männern ziehen den Blick der wenigen Besucher auf sich. „Ich bin Ukrainer. Ich kann nicht ruhig bleiben“ – das Motto der Ukrainischen Protestbewegung – prangt über den Bildern der Toten und Vermissten. Daneben ein Tisch mit Infomaterial und Laptop, das ist alles. Die Euromaidan-Wache-Berlin muss man kennen, um sie zu finden.

Doch der abgelegene Ort ist er mit Bedacht gewählt. Auf der anderen Straßenseite liegt die Ukrainische Botschaft. Zur Eröffnung der „Alternativen Botschaft der Ukraine“ vor einer Woche mit Dutzenden Demonstranten, blau-gelben Fahnen und Protestbannern soll sogar der Botschafter vorbeigekommen sein. Doch seine Einladung zum Tee haben die Demonstranten angeblich abgelehnt. In ihrer Erklärung schreiben die Aktivisten, eine Gruppe von Ukrainern in Berlin: „Wir bleiben hier, bis der letzte Vermisste gefunden wird.“

Olena Volkova schiebt an diesem Donnerstag zum ersten Mal „Wache“ beim Euromaidan. Die 27-jährige Studentin der Medienwissenschaften ist über Facebook auf die Aktion aufmerksam geworden. „Für mich ist es keine Frage, hier zu stehen – meine Schwester lebt in Kiew und ist jeden Tag auf dem Maidan“, sagt sie. Für die Leute dort seien Solidaritätsaktionen wie die des Berliner Maidan ein „wichtiges Zeichen“, glaubt sie. Und für Exilanten sei er eine gute Möglichkeit zusammenzukommen, sich zu informieren und zu helfen.

Volkova selbst macht in der Mediengruppe mit, die die deutsche Berichterstattung über die Proteste analysiert. „Hier wird viel übertrieben, was die rechte Gefahr angeht“, findet sie. Das rechtsradikale Bündnis Swooda, über das in Deutschland viel berichtet werde, sei nur eine sehr kleine Gruppe. „Das schöne am Maidan ist, dass dort alle in eine Richtung gehen: gegen Korruption und Oligarchie.“

Irina Gnativ sieht das genauso. Die 30-Jährige ist zur Wachablösung gekommen, auch sie ist zum ersten Mal beim Berliner Euromaidan. „Ich war vor kurzem auf dem Kiewer Maidan und bin noch immer begeistert von der Atmosphäre der Solidarität dort“, erzählt sie. Es gebe Vertreter aller Schichten, die Rechten hätten da gar keine Chance.

Proteste mit Erfolg

Dass die Proteste irgendwann Erfolg haben, steht für die beiden Ukrainerinnen fest. „Dass der Premier zurücktreten musste, war ein großer Schritt“, sagt Olena Volkova. „Die Leute haben nun verstanden, dass sie etwas bewirken können.“ SUSANNE MEMARNIA