Editorial zur 1. taz-Sotschi-Ausgabe

Mit dieser Ausgabe beginnt die taz mit ihrer Sonderberichterstattung zu den Olympischen Spielen im russischen Sotschi. Diese Zeitung kann und will sich nicht allein den sportlichen Kämpfen widmen – freilich sind sie allein auch schon wert, journalistisch beobachtet, gewogen und reportiert zu werden: Das hat nicht zuletzt mit Fragen der chemischen Leistungssteigerungen, also Doping, zu tun, sondern auch mit Fragen, die mit Ökonomischem zusammenhängen. Dass nämlich am Ende eben stets jene AthletInnen gewinnen, die aus Ländern kommen, von denen sich die Wintersportindustrie am meisten Umsatz versprechen.

Dass auch die taz über Sportliches berichten wird – in der Tradition unserer Seite „Leibesübungen“ –, versteht sich andererseits von selbst: Für die meisten AthletInnen von Olympischen Spielen bedeutet schon die Teilnahme einen erheblichen Aufstieg in ihren Gesellschaften. Spitzensport ist, historisch gesehen, eine Übung der arbeitenden Klassen.

Unsere zwei Sportkolleginnen Andreas Rüttenauer und Markus Völker werden, unterstützt von unseren Moskaukorrespondenten Klaus-Helge Donath, aus Sotschi, aus Russland berichten. Ein Sonderteam in der taz-Redaktion wird täglich vier bis sechs Seiten fertigen – mit Journalismus, der sich dem anderen, dem besonderen Blick verpflichtet fühlt.

Sport ist immer mehr gewesen als ein Sammelsurium von Schweiß und Tränen, von Zeiten, Weiten oder Noten. Politisches, Gesellschaftliches und Zeitgeistiges sind stets in diesem enthalten: Dass die Olympischen Winterspiele von Sotschi in fast tropischen Regionen stattfinden, ist vielleicht nicht die erste Seltsamkeit. Sondern dass diese Spiele zu einer „Putiniade“ geworden sind und als solche faktisch auch inszeniert werden – die Eröffnungsfeier heute Abend wird dies, ohne besonders spekulieren zu müssen, beweisen.

Für das Projekt Sotschi sind Siedlungen am Schwarzen Meer planiert und die Landschaft bis in die kaukasischen Bergregionen ökologisch zerschunden worden. Die Kosten dieser Prestigegeilheit der postsowjetischen Nomenklatura sind momentan nicht zu ermessen – es reicht festzustellen, dass diese Winterspiele in einem politischen Klima der Überwachung, der Korruption, der Homophobie, der Unfreiheit und der Angst vor Terroranschlägen stattfinden werden.

In der taz kommen diese anderen Stimmen ohnehin zu Wort. Im Hinblick auf die Tage von Sotschi wollen wir sie zur Geltung bringen: dass in Russland zivilgesellschaftlich orientierte, dissidente und freisinnige Menschen leben, die jede Menge Kritik an den Umständen der Organisation dieses Spektakels haben – und sich, als freundliche Patrioten, trotzdem oft auf die sportlichen Wettkämpfe freuen.

Die besondere Publizistik zu Sotschi lesen Sie täglich in der taz – doch zugleich auch auf taz.de, wo Aktuelles auch nach Redaktionsschluss zu lesen sein wird. Wir wünschen Ihnen eine gute Lektüre. JAN FEDDERSEN

Fragen ans taz-Sotschi-Team? Mailen Sie: sotschi@taz.de