unterm strich
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Letzte Woche schien es, als hätte Daniel Kehlmann den Ansturm der Leons und Lorentz’ und Georges noch einmal abwehren können, da erklomm er nach einem nur eine Woche dauernden zwischenzeitlichen Tief auf Rang zwei wieder die Pole-Position der Focus- und Spiegel-Bestsellerlisten. Am Montag nun geht es für „Die Vermessung der Welt“ wieder runter auf zwei, denn jetzt haben es wirklich alle Fans von Ildiko von Kürthy bemerkt: Es gibt was Neues von ihr, einen Roman mit dem Titel „Höhenrausch“. Dort findet sich auf den ersten drei Seiten folgender Satz: „Ich, Linda Schumann, bin fünfunddreißig Jahre alt, irgendwie ungebunden, aber irgendwie auch nicht, und stehe meinem Schicksal gegenüber.“ Man weiß also schnell, um was es in „Höhenrausch“ geht, und man weiß auch: Das ist irgendwie ganz schön Scheiße, aber irgendwie auch wieder ganz schön erfolgreich. Nun müsste man als ordentliche Kulturredaktion schön kulturpessimistisch konstatieren: Es geht wieder bergab mit der deutschen Erfolgsliteratur, Kehlmann regierte nur einen Winter und einen Sommer, und nun schlägt das Imperium zurück. Machen wir aber nicht, so sind wir nicht, schließlich ist es Sommer und sehr heiß, was auch heißt: Es werden sowieso wenig Bücher verkauft, also auch gar nicht mal so viele von Kürthys.

Schon eher erschreckt es uns, dass Martin Walser auf Platz fünf eingestiegen ist mit seinem neuen Roman „Angstblüte“. Nicht, dass wir nicht zu schätzen wüssten, dass das Feuilleton letzte Woche eine Großanstrengung vollbracht hat und innerhalb einer Woche alle von FAS über Spiegel bis zur FAZ und unserer Wenigkeit „Angstblüte“ besprochen und somit möglicherweise in die Charts gehievt haben – aber „Angstblüte“ ist eben nicht so richtig gut, und alte, nicht alt sein wollende geile Männer gibt es bei Walser ja nicht zum ersten Mal. So heißt es hier wohl: In Treue fest zum Autor, einmal Walser, immer Walser. Wobei im Übrigen erstaunlich ist: Walser-Tagebücher gehen nicht, Walser-Essays nicht, Walser-Biografien auch nicht, nur Walser-Romane, die werden ordentlich bis gut verkauft. Ein schöner Charts-Einstieg ist noch zu vermelden: Robert Gernhardt auf Platz 20 mit „Später Spagat“, seinen letzten Gedichten.