Entertainment XXL

Die Sendergruppe ProSiebenSat.1 präsentiert ihr Jahresprogramm: Trotz mäßiger Neuerungen ist die aufwändig inszenierte Werbekundenshow ein echter Spaß und längst reif fürs Fernsehen

Aus Düsseldorf Peer Schader

Mal angenommen, beim Fernsehen hätte einer die Idee, eine vierstündige Liveshow zu veranstalten, die abwechselnd von Bastian Pastewka, Christoph Maria Herbst, Oliver Kalkofe und Ingolf Lück moderiert würde. Eine Show, in der auf Großbildleinwänden Trailer kommender TV-Highlights liefen und Artisten sich von einer Kuppeldecke abseilten, Ronan Keating ein Liedchen trällern dürfte, die Senderchefs von Sat.1, ProSieben, Kabel1 und N24 höchstpersönlich vorbeikämen und Stefan Raab in einem Miniwettkampf gegen einen Gast aus dem Publikum anträte, bevor die Mädels aus „Germany’s Next Topmodel“ eine kleine Modenschau präsentierten – wann würde man eine solche Show wohl ausstrahlen? Samstagabends zur besten Sendezeit? Oder vielleicht: gar nicht?

Seit drei Jahren lädt ProSiebenSat.1 seine Werbepartner im Juli zum pompösen Sommerscreening „The Big Picture“ und zeigt dort, was man sich in den Sendern Neues ausgedacht hat, um möglichst viele Zuschauer und Aufmerksamkeit für die Werbung dazwischen zu erreichen – damit ordentlich Spots gebucht werden. Jedes Mal bedauert man es aufs Neue, dass diese Show nicht auch im Fernsehen läuft – denn das „Big Picture“, dieses Jahr wieder aus Düsseldorf, ist bis auf ein paar Worte an die Mediaplaner im Publikum durch und durch TV-tauglich.

Man hat gemerkt, wie locker die gesamte Mannschaft diesmal war: Die mögliche Zerschlagung der Sendergruppe ist nach dem abgeblasenen Kauf durch Axel Springer längst vom Tisch, Haim Saban sitzt weiter als Investor im Boot, nebenbei wird fleißig in Pay-TV und Video on Demand expandiert – auch weil es in den vergangenen Monaten werbetechnisch nicht so gut lief. „Wir wollen unsere Abhängigkeit vom Werbemarkt reduzieren“, sagte der Vorstandvorsitzende Guillaume de Posch am Donnerstag. Die Sendergruppe an, bis 2007 15 Prozent des Umsatzes außerhalb ihres – vor allem von werbefinanziertem TV geprägten – Kerngeschäfts zu erwirtschaften. Für das laufende Jahr erreicht sie laut de Posch bislang 12 Prozent.

Die gute Laune ist dennoch nicht aufgesetzt – im Gegenteil. Hier ist der Geschäftsführer von ProSieben, der momentane“, kündigte „Stromberg“-Darsteller Herbst seinen Chef Andreas Bartl an, der auf eine ganze Reihe Vorgänger zurückblicken kann und den Sender erst seit sieben Monaten führt. Im vergangenen Jahr stand Bartl beim „Big Picture“ noch als Kabel-1-Chef auf der Bühne und süßholzraspelte was von den „besten Mediaplanern der Welt“, die im Publikum säßen. Es war eine gute Entscheidung, ihn diesmal nur kurz zu Wort kommen zu lassen und für die eigentliche Präsentation die Stars des Senders zu holen. Geschäftsführer sind nun mal keine Moderatoren.

Abgesehen vielleicht von Konzernchef de Posch, der sich nach einem wortkargen Karrierebeginn in Deutschland zu einem richtigen Entertainer entwickelt hat. In Düsseldorf war er sichtlich entspannt und – witzig. „Let the show begin!“, tönte de Posch nach beendeter Begrüßungsansprache, so als würde er im Nebenjob als Ansager im Boxring stehen.

Neben all dem Entertainment, das ProSiebenSat.1 beim „Big Picture“ veranstaltet, gerät schnell in Vergessenheit, dass es ja eigentlich ums Programm gehen soll. Das hält aber auch in diesem Jahr keine großen Überraschungen bereit. Sat.1 versucht sich an einer neuen Telenovela („Schmet–terlinge im Bauch“) und setzt „Verliebt in Berlin“ ohne Alexandra Neldel fort. Am Mittwoch folgen neue Serien wie „Allein unter Bauern“ und „Stadt Land Mord“, sonntags laufen US-Produktionen, und am Freitag gibt es neue Folgen von „Pastewka“. Zudem erklärte Sat.1-Chef Roger Schawinski, eine eigene Serie nach „CSI“-Vorbild produzieren zu wollen. Im kommenden Frühjahr kommt „Auf der Suche nach dem Schatz von Troja“ mit Heino Ferch.

ProSieben vertraut weiter auf Prestigeserien wie „Lost“ und „Desperate Housewives“, 2007 folgt eine neue Staffel „Germany’s Next Topmodel“, die Heidi Klum in einem Einspieler freundlichst mit „Hallo, liebe Werbekunden“ ankündigte. Im Winter setzt Katarina Witt „Stars auf Eis“, Christian Ulmen kriegt netterweise eine eigene Fictionserie, und Stefan Raab festigt seine Omnipräsenz mit Wok-WM, Turmspringen und „Schlag den Raab“, wo Kandidaten in Sport- und Denkaufgaben gegen den „TV total“-Moderator antreten müssen und dafür eine halbe Million Euro kassieren können.

Der Rest läuft auf Kabel1, das Mike Krüger und Ingolf Lück für neue Shows reaktiviert und sich mehr und mehr zu einem ProSieben für Ältere entwickelt. Die Neuigkeiten bei N24 halten sich in sehr engen Grenzen: es gibt eine Börsenshow, in der Coach Markus Frick in Motivationstrainermanier Tipps zum Geldverdienen gibt, und einen neuen Talk mit Hans-Hermann Tiedje (Ex-Bild) und Hajo Schumacher (Ex-Max): „Links – rechts.“

Spannender als manche Programmvorschau war sowieso, wie schonungslos das Moderatorengespann über die eigenen Arbeitgeber lästern durfte. „ProSieben ist der einzige Sender, der die roten Zahlen schon im Logo trägt“, witzelte Herbst. Kalkofe erklärte, 1 Prozent Marktanteil bei N24 sei ein echter Erfolg und auch nicht viel weniger als bei „Lotta in Love“. Und Pastewka spielte ein und dieselbe „Verliebt in Berlin“-Szene für unterschiedliche Zielgruppen der Sender vor, im wahrsten Sinne des Wortes unbeschreiblich komisch. Man kann ruhig sagen: Es war ein schöner Abend. Jetzt muss nur noch mal einer auf die Idee kommen, das endlich auch alles im Fernsehen zu zeigen.