LESERINNENBRIEFE
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Es wird bei Almosen bleiben

■ betr.: „Armer Bill Gates“, taz vom 9. 8. 10

So lobenswert es sein mag, dass Milliardäre spenden wollen und auch versuchen, andere Schwerreiche dazu zu bewegen, so wenig ändert es mittel- und langfristig. Wer das Gänsehautfeeling braucht, nach Gutsherrenart Almosen unters Volk zu streuen und sich über die glücklichen Augen der Almosenempfänger zu freuen, der möge dies tun. Jeder, der reell etwas ändern möchte, der den ärmsten der Armen nicht nur Almosen geben möchte, sondern ihnen auch ihre Würde zurückgeben und ihre Rechte stärken möchte, der möge sich bitte einsetzen für politische Veränderungen. Wenn ihm dazu Zeit und langer Atem fehlen, möge er bitte die Parteien und politischen Gruppierungen finanziell stärken, die sich für die Rechte der unteren Bevölkerungsschichten einsetzen. Nur so erreicht er auch, dass seine Milliardärskollegen ebenfalls in die Pflicht genommen werden. Aber ich höre schon wieder die Worte „Sozialismus“, „Populismus“ und „Neiddebatte“. Es wird wohl bei Almosen bleiben.

ULRIKE SCHREITNER, Velbert

Solidarisch gerechte Besteuerung

■ betr.: „Politiker: Deutsche Milliardäre, tut Gutes!“, taz vom 7. 8. 10

Ein Zeichen der Solidarität sollen wir darin sehen, wenn auch unsere Superreichen sich vielleicht dazu herablassen, etwas von ihrem Vermögen zu spenden, Almosen ans Volk verteilen, sich öffentlich als Wohltäter geben?

Schlimm genug, wenn rot-grüne Politiker, die erheblichen Anteil an der jahrelangen Umverteilung und einseitigen Reichtumsbildung haben, nun auch noch wohltätige Spendengesten vorbildlich und löblich finden. Schlimm genug, wenn es nicht erst seit heute auch in Deutschland Wohlhabende gibt, die schon lange für sich selbst höhere Steuern fordern. Stellen wir einmal das soziale Gewissen einiger Superreicher gar nicht in Abrede und erkennen es ganz individuell an. Gesellschaftlich betrachtet und auf die Politik bezogen, ist es ein Skandal. Jeder Lohnabhängige in diesem Staat ist mit erheblichen Steuern belastet, die er kaum mindern oder umgehen kann. Wie wäre es denn damit, auch dem Lohnabhängigen ein Steuerniveau zu schaffen, das es ihm überlässt, seinem sozialen Gewissen folgend, die ein oder andere wohltätige Spende zu leisten. Gegen Spendenquittung selbstverständlich, wie das wohl auch bei unseren Großspendern der Fall sein wird.

Wenn von solidarischen Gesten der Superreichen gesprochen wird, dann sollte hin und wieder Erwähnung finden, dass gigantischer Reichtum, den wir heute in den Händen weniger finden, nicht von diesen Händen allein geschaffen wurde, nicht nur mit eigner Arbeit zu begründen und das Ergebnis vieler Millionen Hände ist, die oftmals trotz Arbeit in Armut geraten. Bevor wir die Loblieder anstimmen, bitte ein wenig nachdenken. Und vielleicht kommen die Regierenden und sogenannten Volksvertreter angesichts solcher „Solidaritätsbekundungen“ auch einmal auf die Idee solidarisch gerechter Besteuerung. ROLAND WINKLER, Remseck

Asozial sind immer die anderen

■ betr.: „Auch deutsche Superreiche sollen spenden“, taz v. 6. 9. 10

„Millionär“ ist offenbar ein dehnbarer Begriff. Dagegen ist das untere Ende der Gesellschaft mit derzeit 7,4 Millionen Hartz-IV-Empfängern statistisch ziemlich genau erfasst. Würden nun die Einkommen der Oberschicht von den Finanzämtern ähnlich genau durchleuchtet wie die Bedürftigkeit von Hartz-IV-Empfängern von den „Argen“, wären die Löcher in den öffentlichen Haushalten sicher kleiner. Aber lässt sich das denn überhaupt vergleichen? Wo die da oben doch durch Steuern gebeutelt werden, während die da unten Geld bekommen?

Geld lässt sich heutzutage noch am besten mit Geld verdienen. Wer schon Geld hat (egal woher), kann dieses für sich arbeiten lassen. Und das auch gerne mal im Ausland. Schlimmstenfalls lassen einige Reiche ihre Mitarbeiter hierzulande für so wenig Lohn arbeiten, dass diese nur mit Hilfe von Hartz IV überhaupt über die Runden kommen. Und der Sozialstaat unterfüttert noch den Mehrwert. Wer nun kaum Geld zum Leben hat bzw. Probleme damit, welches zu verdienen, und z. B. Hartz IV bezieht, steckt nun alles, was er bekommt, allmonatlich in die Binnennachfrage. Die käme wohl mit einer Erhöhung der Sätze im allgemeinen gesellschaftlichen Interesse sogar noch mehr in Schwung.

Zwang funktioniert nicht, hie wie da: Wer meint, ungerechterweise zum Steuerzahlen gezwungen zu werden, entzieht sich dem durch Herunterrechnen seines Vermögens oder bringt sein Geld eben anderswohin. Und wer als Hartz-IVler zum Arbeiten gezwungen wird, entzieht sich auch, schlimmstenfalls und bekanntermaßen durch Krankheit.

Folge: Man wirft sich von oben nach unten und von unten nach oben gegenseitig dasselbe vor: Ihr Asozialen wollt einfach nicht für euer Geld arbeiten! Und alle fühlen sich nicht wahrgenommen, ungerecht behandelt und ausgenutzt. Gegenüber den USA aber sind wir hier im alten Europa etwas weiter, hierzulande könnten sich Oben und Unten in dem Bewusstsein versöhnen, zusammen in einem vergleichsweise immer noch vorbildlichen Sozialstaat zu leben, in dem Solidarität zählt und die Würde des Menschen auch aus finanziellen Gründen nicht antastbar ist. Dann müssten die Reichen sich ein gutes Gewissen nicht mit Spenden kaufen, und die Armen müssten kein schlechtes Gewissen haben, wenn ihnen staatliche Hilfe zum Lebensunterhalt die Freiheit gibt, ihre Zeit denen zu schenken, die’s gerade brauchen. In der alten materialistischen Denke sind sich z. B. Lafontaine und Westerwelle völlig einig: Die Sozialschmarotzer sind immer die anderen. JULIA KOSSMANN, Hamburg