DER GROSSE GELBE BAGGER
: Immer mal Wumms

Da hat die Evolution eine effiziente Konstruktion erfunden

Die Kneifzange, mit der der große, gelbe Bagger am vierten Stock knabbert, sieht aus wie das Maul einer Alligatorschildkröte. Ein – denke ich etwas selbstzufrieden – treffender, wenn auch ausgefallener Vergleich, der sich aber dadurch rechtfertigt, dass letzten Sommer ein solches Tier in einem Allgäuer Badesee einen Jungen gebissen haben soll, woraufhin wochenlang Bilder der martialischen Schildkrötenbeißwerkzeuge verbreitet wurden.

Da hat die Evolution eine effiziente Konstruktion erfunden, denke ich weiter, und die Baggerhersteller haben sich das abgeguckt. Statt nach Badenden schnappt das Gerät nach den Stahlbewehrungen, die wie abgerissene Nervenenden aus den Abbruchkanten ragen. Die Zange zerbeißt sie mühelos. Ab und zu setzt der Baggerführer sie wie einen Hammer ein – dann lösen sich größere Brocken, die mit einem satten Wumms unten auf dem Trümmerhaufen landen.

Schon seit 20 Minuten stehe ich auf der anderen Straßenseite und sehe mit kindlicher Faszination zu. Nicht als einziger – ein knappes Dutzend dürften wir sein. Einige filmen. Ich frage mich, was uns so fesselt. Der sporadische Wumms, von dem man insgeheim hofft, der nächste möge besonders laut ausfallen? Oder die Tatsache, dass ein einziger Mensch mit ein paar Fingerbewegungen ein steinernes Bürogebäude zu Brocken zermahlt?

Die Zange zerkneift ein neues Stahlbündel. Ein kleines Stückchen wird weggeschleudert, wie ein Härchen, eine Wimper, die man von einem Gesicht schnipst. Es trudelt durch die Luft, zu weit!, und landet krachend auf einem vorbeifahrenden Lieferwagen.

Der Fahrer bremst, steigt aus, er versteht nicht, was passiert ist. Aber einer der Filmenden läuft schon, hebt die Wimper auf und zeigt sie uns. Es ist ein kiloschweres Stück rostiges Metall. Einen menschlichen Kopf hätte es mühelos durchdrungen. Den Panzer einer Alligatorschildkröte vermutlich auch. CLAUDIUS PRÖSSER