Die rote Rappelkiste

Die kommende Saison wird nicht einfach für Hannover 96: Auf den Führungsetagen herrscht Unruhe, außerdemging auf dem Transfermarkt wenig. Der Traum vom UEFA-Cup-Platz dürfte damit kaum Realität werden

Gute Karten sehen anders aus. Da sind die Querelen in der Führungsetage: Vor zwei Wochen kehrte der große alte Hauptgesellschafter Martin Kind zurück an die Spitze des Clubs – aus Kinds Sicht eine Rettungsaktion, deren erste Konsequenz der sofortige Rücktritt von Geschäftsführer Karl-Heinz Vehling war. Dann gibt es die Konflikte zwischen Trainer Peter Neururer und seinem Ko-Trainer Michael Schönberg. Außerdem gelten Hannovers Top-Stürmer Thomas Brdaric und Manager Ilja Kaenzig nicht gerade als Neururers beste Freunde. Und zuletzt ist da der Transfermarkt, auf dem kaum etwas ging: Nach 17 Unentschieden in der vergangenen Saison suchte man dringend nach hochklassiger Verstärkung in der Offensive.

Gekommen ist für eine Million Euro der isländische National-Stürmer Gunnar Thorvaldsson von Halmstads BK, der immerhin 2005 in Schweden Torschützenkönig wurde. Der neue Hoffnungsträger aber ist der 28-Jährige Holländer Arnold Bruggink, der ablösefrei vom SC Heerenveen wechselt und bei ’96 einen Dreijahresvertrag unterschrieben hat. Bruggink soll den Portugiesen Ricardo Sousa ersetzen, der so enttäuschte, dass die Hannoveraner ihn nun für ein Jahr an Boavista Porto ausleihen.

Bruggink sei ein „Mann mit technischen Qualitäten und internationaler Erfahrung“ freute sich Manager Kaenzig und erwischte damit den wunden Punkt: Internationale Erfahrung, die würde man in Hannover auch gerne mal sammeln. Trainer Neururer sollte es schon vergangene Saison möglich machen. Er wurde für Ewald Lienen geholt, um das Team auf einen UEFA-Cup-Platz zu führen. Tatsächlich legte ’96 unter Neururer schnell zu, stand zwischenzeitlich auf Platz fünf und ließ dann aber ebenso schnell wieder nach: Die Roten beendeten die Saison auf dem zwölften Tabellenplatz. Am Ende der Saison 2004/05 stand Hannover auf dem zehnten Rang, und das war die beste Platzierung seit dem Wiederaufstieg in die Bundesliga im Jahr 2002.

Fans, die für ’96 am Ende der kommenden Saison einen UEFA-Cup-Platz erwarten, „könnten möglicherweise enttäuscht werden“, sagte Neururer dem Kicker. Eine schöne Formulierung des 51-Jährigen, zumal auch ihm klar ist, dass genauso gut der Abstiegskampf Hannovers nächste Herausforderung werden könnte: Neururer fehlen kommende Saison die langjährigen Spieler Daniel Stendel, Thomas Christiansen und Christoph Dabrowski. Und unter den Neuzugängen hat keiner Bundesliga-Erfahrung. Neben Bruggink und Thorvaldsson kommen nur wenig profilierte Spieler wie der Schwede Christoffer Andersson (27, Lilleström SK) oder der Ungar Szabolcz Huszti, (23, FC Metz).

Immerhin wird Per Mertesacker aller Voraussicht nach in Hannover bleiben, nachdem sich die Geschäftsführer von Werder Bremen und Hannover 96 nicht über die Höhe der Ablöse einigen konnten. Mertesacker kann Hannover laut Vertrag im Jahr 2007 für weniger als 1,5 Millionen Euro verlassen und wird das auch tun: Kurz nach der WM machte er per Interview deutlich, dass er gerne sofort zu Werder wechseln würde. Dass Mertesacker nun vorerst doch in Hannover bleibt, wird den neuen, alten Clubchef freuen: Kind achtet zwar aufs Geld, mag aber auch große Namen. Auf jeden Fall aber mag er in der Bundesliga bleiben. Ein Abstieg wäre für Hannover nach dem kostspieligen Umbau der AWD-Arena auch finanziell ein Desaster.

Klaus Irler