Flüchtlingstragödie vor Sizilien

Italienische Marine rettet 14 halb verhungerte Bootsflüchtlinge nahe der Insel Lampedusa. Vor Malta ertrinken 17 illegale Migranten – 8 davon Kinder. Italiens Innenminister fordert mehr Hilfe von der EU, um klandestine Zuwanderer abzuwehren

AUS ROM MICHAEL BRAUN

Gleich zwei Tragödien in der Straße von Sizilien haben die Aufmerksamkeit wieder auf das alltägliche Flüchtlingsdrama gelenkt, das sich zwischen Libyen und Italien abspielt. In der Nacht von Freitag auf Samstag rettete ein Schiff der italienischen Marine 14 dem Tode nahe Personen, die sich auf einem kleinen Boot 130 Meilen südlich der Insel italienischen Insel Lampedusa befanden. Sie berichteten, 13 weitere Passagiere hätten die Überfahrt nicht überlebt und seien von ihnen ins Meer geworfen worden. Ihr bloß vier Meter langes Boot war 20 Tage vorher von der libyschen Küste aus in See gestochen, kurz darauf hatten sie die Orientierung verloren, und binnen kurzem waren alle Trinkwasser- und Lebensmittelvorräte aufgebraucht. Zwei der aus Mali, Eritrea und Ägypten Stammenden waren ins Koma gefallen. Sie schweben ebenso wie fünf weitere ins Krankenhaus Eingelieferte noch in Lebensgefahr.

Am späten Samstagabend dann entdeckte ein italienischer Fischkutter eine weitere Nussschale, die 40 Meilen südlich von Malta in Seenot geraten war. Der Besatzung des Kutters gelang es, 13 Personen zu retten, während 17 weitere offenbar ertrunken sind. Acht der Opfer sind Kinder.

Mehr Glück hatten die 2000 Bootsflüchtlinge, die in den letzten zwei Wochen in Lampedusa anlandeten. Wie jedes Jahr im Juli und August ist das Aufnahmelager – es fasst 200 Personen – heillos überfüllt. Auch die Absprachen der Regierung Berlusconi mit Libyens Revolutionsführer Gaddafi, die eine intensivere Kontrolle an der libyschen Küste sicherstellen sollten, haben an dem Andrang von Flüchtlingen nichts geändert. Vor diesem Hintergrund wandte sich Italiens Innenminister Giuliano Amato an den zuständigen EU-Kommissar und Landsmann Franco Frattini, um stärkere EU-Unterstützung im Rahmen des Frontex-Programms einzufordern. Die Mitteilung Amatos, ein Großteil der Flüchtlinge stamme mittlerweile aus Marokko, darf als dezenter Hinweis verstanden werden, dass sich die Europäische Union im Westen, auf den Kanarischen Inseln, weit stärker engagiert – und die eigentlich für Spanien „bestimmten“ Marokkaner nun den Weg über Libyen nach Italien suchen.

Etwas trösten dürfte Amato ein Brief von Deutschlands Innenminister Wolfgang Schäuble. Der sichert die Entsendung deutscher BGS-Beamter nach Lampedusa zu. Zwar ist nur die Rede von zwei Beamten, die „beratend“ tätig sein sollen. Die offensichtlich rein symbolische Geste stößt dennoch auf italienisches Wohlwollen, da sie ein erster Schritt bei den Bemühungen um die Europäisierung der Abwehr klandestiner Zuwanderer ist.

Auf der anderen Seite setzt Italiens Mitte-links-Regierung darauf, die legale Zuwanderung zu erleichtern. Sie hat entschieden, allen 530.000 Personen, die im Februar einen Antrag auf Legalisierung ihres Aufenthaltsstatus gestellt hatten, eine positive Antwort zu geben. Die Regierung Berlusconi hatte eine Obergrenze von 170.000 festgelegt. Zudem soll jetzt der Familiennachzug deutlich erleichtert werden.

Italiens Rechte tönt, dem Land drohe die Invasion eines „Millionenheers von Opas und Omas“. Ebenso regt sich die Berlusconi-Opposition auf, dass Einwanderer in Zukunft schon nach fünf Jahren ein unbefristetes Aufenthaltsrecht erhalten sollen.