DIE KLEINE WORTKUNDE
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Alle Probleme der Schweiz seien auf eine Ursache zurückzuführen, sagt Christoph Blocher von der rechtspopulistischen Schweizerischen Volkspartei (SVP): die übermäßige Zahl der Ausländer – worunter ausdrücklich auch Deutsche gezählt werden. Daher will die SVP am Sonntag mit einem Referendum die „Massenzuwanderung“ stoppen. Gerade jetzt könnten sich die Helvetier aber durchaus mal an ihre Namenspatronin erinnern, die allegorische Frauengestalt Helvetia, welche die Schweiz versinnbildlicht und im 17. Jahrhundert als Figur der Versöhnung während konfessioneller Streitigkeiten in der Schweiz geschaffen wurde. Auch auf den Münzen der Eidgenossen steht nicht „Schweiz“, sondern „Helvetia“ als Landesbezeichnung, um keine der vier Landessprachen zu bevorzugen.

„Helvetia“ ist eine Ableitung von „Helvetii“, der lateinischen Bezeichnung für den keltischen Volksstamm, der die Schweiz einst besiedelte. Der Ursprung liegt vermutlich in einer Zusammensetzung aus dem keltischen „elu“ (Gewinn) und dem altirischen Präfix „il“ (viele).

Ein schönes Bild: Helvetia als Figur der Toleranz, welche die vielen anderen am Gewinn und Wohlstand der Schweiz teilhaben lässt. Doch die Dame trägt auch einen Speer und einen großen Schild mit dem Landeswappen – nicht unbedingt Zeichen einer Willkommenskultur. Und andere erfolgreiche Volksabstimmungen, etwa über ein Minarettverbot, haben gezeigt, dass viele Schweizer den abwehrende Wesenszug von Helvetia teilen. Einen positiven Nebeneffekt könnte es dennoch haben, wenn das Referendum angenommen wird und die Schweiz sich gegen Europa abschottet: Resteuropäer bekämen eine Ahnung davon, wie sich afrikanische Flüchtlinge fühlen, die in die EU reisen möchten. ERIK WENK