„Hinter uns Raketen“

taz: Frau Khalil, wie sind Sie aus dem Südlibanon geflohen? Afaf Ali Khalil: Die Fahrt war sehr gefährlich. Hinter uns sind Raketen eingeschlagen, fast hätten sie uns erwischt. Wir hatten ein Radiogerät dabei, um unterwegs zu hören, was die Israelis zerstört haben und welche Straßen noch befahrbar sind. Die Hisbollah hat den Konflikt mit der Entführung zweier Soldaten ausgelöst. Hunderte Libanesen sitzen seit Jahren in israelischen Gefängnissen. Von sich aus wird Israel diese Gefangenen niemals hergeben. Die Hisbollah hat die beiden Soldaten entführt, um einen Tausch zu erpressen. Sie wollte Verhandlungen, keinen Krieg. Zwei gefangene Soldaten – ist das ein Grund, 500 unschuldige Menschen zu töten? Auch in Israel sterben Zivilisten. Jeder tote Zivilist ist furchtbar, ob Jude, Christ oder Muslim. Dieser Konflikt hat mit Politik, nicht mit Religion zu tun, wir haben kein Problem mit Juden. Mein ältester Sohn lebt in Kanada, er hat die Tochter eines Juden und einer Christin geheiratet und die beiden sind glücklich zusammen. Die Hisbollah hat regelmäßig Raketen auf Israel abgefeuert – eine Provokation. Die Hisbollah verteidigt unser Land, wir brauchen sie, weil die libanesische Armee gegenüber Israel machtlos ist. Wie lange werden Sie schätzungsweise in Syrien bleiben? Am liebsten würden wir heute zurückkehren, aber es ist zu gefährlich. Wir fühlen uns hier wie zu Hause, Syrer und Libanesen sind ein Volk, und es fehlt uns an nichts. Trotzdem wollen wir so schnell wie möglich zurück in unsere Heimat. Aber wenn ich in den Nachrichten US-Außenministerin Rice und Israels Ministerpräsidenten Olmert höre, klingt das nicht nach einem schnellen Ende des Krieges. Was muss passieren, damit die Kämpfe aufhören? Die Israelis müssen uns unsere Gefangenen geben, dann bekommen sie ihre Soldaten zurück. Dieser Austausch hätte ohne Blutvergießen zustande kommen können. Ohne all die toten Kinder bei uns und bei ihnen. Auch in Israel sollen keine Zivilisten sterben – sie sind Menschen wie wir. INTERVIEW: HEL

Afaf Ali Khalil, 49, Mutter von sechs Kindern ist mit ihrer Familie aus dem Dorf Abba im Südlibanon geflohen. Sie ist die Zweite von rechts auf dem Bild rechts