Die Berlin-Baustelle gibt’s jetzt als Hotel

HIP-HOTEL Das Michelberger Hotel an der Warschauer Brücke ist die Bar 25 unter den Hauptstadthotels. Es beweist: Wirkt etwas so, als ob es eigentlich gar nicht ums Geldverdienen ginge, dann hat es in Berlin Erfolg

Es gibt ein Zimmer mit integrierter Playstation und einen „Crazy Room“

VON ANDREAS HARTMANN

In Hotels möchte man nicht einfach nur übernachten wie der dauerreisende George Clooney in „Up in the air“. Man wünscht sich auch nicht nur halbwegs gepflegte Zimmer ohne Krabbelkäfer. Manchmal ist ein Hotel auch ein Ort, wo man sich einen Luxus gönnt, den man sich sonst nicht leistet. Ein Ort, an dem es gut und gern so 1.001-Nacht-märchenhaft und extradekadent zugehen darf wie in den Luxussuiten in Abu Dhabi, in denen der letzte „Sex & The City“-Film spielt. In Hotels leben und sterben Popstars. Sie halten dort Pressekonferenzen ab und verwüsten die Zimmer. In Hotels kann man sich verlieben, den Roomservice mitten in der Nacht anrufen, Sektfrühstück bestellen, Wäsche waschen lassen, zu viel oder zu wenig Trinkgeld geben.

„Ein Hotel bietet wahnsinnig viele Möglichkeiten, sich zu entfalten“, findet auch Tom Michelberger, der Betreiber des Michelberger Hotels an der Wahrschauer Brücke in Friedrichshain. Das Hotel feiert gerade einjähriges Jubiläum. Von Anfang an war Michelberger klar, dass dieses Hotel besonders sein sollte. Ein echtes Berlin-Hotel sollte es werden – und doch ohne Vergleich in der Hauptstadt. Stylish, cool, charmant und eher billig. Zur Eröffnung war das dem Tip eine ausführliche Geschichte wert. Inzwischen hat auch die englische Designbibel Wallpaper den Komplex gewürdigt. Die New York Times attestiert: „Berlin’s most stylish budget option“. Und die B.Z. hat schlicht fest gestellt: „Dieses Hotel rockt.“

Almdudler und Rennfahrer

Wie konnte es passieren, dass jetzt ausgerechnet ein Hotel gefeiert wird, als würde es um einen neuen Trendclub gehen? Wahrscheinlich weil man in Berlin immer wieder davon beeindruckt ist, wenn etwas so richtig berlinmäßig ist. Berghain, Bar 25, Grill Royal, das sind so typische Berliner Erfolgsgeschichten, wo es geschafft wurde, perfekt zurechtdesignte Images irgendwie trotzdem lässig erscheinen zu lassen. Wirkt etwas so, als ob es eigentlich gar nicht ums Geldverdienen ginge, dann bestehen in Berlin Chancen auf Erfolg.

Das Michelberger Hotel – perfekt gelegen zwischen den Ausgehzentren Schlesisches Tor, Simon-Dach-Straße und Berghain – ist nun die Bar 25 unter den Hauptstadthotels. Während des Ausbaus fanden im Keller Technopartys statt. Zur WM gab es Public Viewing mit „Nationalhymnen-Karaoke“. Auch Berliner verirren sich in dieses Hotel – zum Mittagessen. „119 Zimmer, gebaut für österreichische Almdudler, schwedische Models, englische Rockstars, japanische Geschäftsmänner, deutsche Rennfahrer und amerikanische Dudes“, werden auf der Hotel-Homepage angepriesen. Die meisten Zimmer sind ständig belegt, so Michelberger, der mit seiner Geschäftspartnerin Nadine May das Hotel erfunden hat.

Michelberger ist Anfang dreißig, smart und hat früher irgendwas mit Wirtschaft studiert. Mit der Hotelbranche hatte er nie etwas zu tun. Dann zog er von Süddeutschland nach Berlin. Und hatte die Idee mit dem Hotel, das so sein sollte wie die Stadt, in der er sich gleich wohlfühlte. Einem Hotel, das seinen Gästen das Abenteuerspielplatzgefühl vermitteln soll, das sie von Berlin erwarten. Entsprechend gibt es ein Zimmer mit integrierter Playstation und der Badewanne am Fenster, einen „Crazy Room“, in dem die Dusche durch ein Fenster unterteilt ist und viele weitere Gimmicks für aufgeschlossene Gäste.

Wandel und Familie

Das Konzept des Hotels ist, dass es kein zu offensichtliches Konzept gibt. Hostelatmosphäre trifft auf Designhotel, Biergartenambiente im geräumigen Innenhof auf „Big Lebowski“, der auf den Fernsehern in den Gängen des Hotels ununterbrochen läuft. In der Lounge steht ein Flügel, in der Ecke eine Gitarre, die Lampenschirme wurden aus alten Büchern gebastelt. Neben der Rezeption findet sich eine ganze Wand voll mit Pokalen, daneben hängen unzählige Kuckucksuhren. Im Innenhof wurden aus Holz Almhütten errichtet, Hollywoodschaukeln stehen herum. All die Brüche in der Gestaltung betonen den Charakter des Unfertigen, der angestrebt wird. Die Decken in den Fluren sind unverputzt, das Foyer heißt programmatisch „Baustelle“. Das Hotel soll wirken wie ein Laboratorium, alles scheint noch im Wandlungsprozess: Berlin total.

Wie bei der Bar 25 wird auch der Familiengedanke betont. Und von der Belegschaft macht natürlich jeder Zweite nebenbei irgendetwas Kreatives, etwas mit Film oder so. So bietet das Michelberger Hotel auch den Berlinern – fast 50 Leute gehören mittlerweile zur Stammbelegschaft – die Möglichkeit, ihren typischen Berlin-Lifestyle zwischen Geldverdienen und dem Verfolgen eigener Projekte zu pflegen, den die Gäste dann wahrscheinlich auch gleich ganz arg aufregend finden.