Die Gesellschaftskritik
Frauen am Rande

WAS SAGT UNS DAS? Es gibt kaum mehr nennenswerte Bands, die nur aus Frauen bestehen – ein Rätsel

Einige meiner besten Freunde sind Frauen. Und einige meiner größten Wissenslücken über Popmusik wurden von Frauen geschlossen

Einige meiner besten Freunde sind Frauen. Und einige meiner größten Wissenslücken über Popmusik wurden von Frauen geschlossen. Dafür bin ich Birgit, Molly, Robin und den anderen zu großem Dank verpflichtet. Sie wissen das. Und ich weiß, dass sie sich Popmusik genauso selbstverständlich angeeignet haben wie ich mir. Dass Popmusik Frauen generell benachteiligt, kann ich aus meinem Umfeld nicht bestätigen.

Ich bin mir sicher, dass Popdiskurse auch nur das wiedergeben, was in einer größeren Umlaufbahn, nennen wir sie Gesellschaft, immer wieder neu ausgehandelt wird. Wenn Pop zu einem bestimmten Zeitpunkt inklusiv war, heißt das nicht unbedingt, dass es immer so bleibt.

Am Beginn einer Musiksozialisation steht meistens das Eintauchen in eine jugendliche Subkultur und das Ausklinken aus Zeitläuften – meine „Jackengruppe“ waren die Punks, und da gab es in den frühen Achtzigern viele aktive Frauen, („Punketten“), die in Bands spielten, Konzerte organisierten oder Kneipen schmissen, als ob es kein Morgen gäbe. Sich mit Musik ernsthaft auseinanderzusetzen war damals kein exklusives Jungsding.

Frauen waren gleichberechtigt. Das musste nicht ständig ausdiskutiert werden, das war so. Allerdings blieb das hedonistische Treiben in autonomen süddeutschen Jugendzentren einer größeren Öffentlichkeit weitgehend verborgen. Punk interessierte einfach nicht, außer vielleicht die Polizei.

Anders sah es dagegen in den Neunzigern aus, als die Ravekultur massenwirksam wurde und DJs die Bedeutung von Musikern einnahmen. Platten wurden mehrheitlich von Männern aufgelegt, fast alle Entscheidungsträger in der Szene waren männlich, selbst die Journalisten, die darüber schrieben und die intellektuellen Diskurse beherrschten. Wie es dazu kam? Vielleicht hat die Digitalisierung der Produktionsvorgänge und die Technisierung der Sprache zunächst abschreckend auf Frauen gewirkt. Musikalischer Dilletantismus, wie er am Anfang des Punk Pate stand, war damals nicht gefragt und wurde durch die hohe Perfektion der Produktionsmittel von vornherein ausgeschlossen. Inzwischen gibt es übrigens viele Frauen, die technisch anspruchsvolle elektronische Musik produzieren, aber das ist eine andere Geschichte.

Gegen Ende der 90er kam mit der Riotgirl-Bewegung an der Westküste der USA eine dezidiert feministische Musikbewegung auf, die seither alle Diskurse über Pop und Frauen mitbestimmt hat. Die Riotgirls schlossen den Do-it-yourself-Gedanken des Punk mit der Geschichte des Feminismus kurz und stellten nicht nur eine Verbindung zu den 60er Jahren her, sondern auch eine Verbindung zur Benachteiligung von Frauen. Heraus kamen gute Platten, aber auch jede Menge essenzialistische Behauptungen. Nichts, was den Geschmack meiner Freundinnen oder mir auch nur ansatzweise traf. JULIAN WEBER

Gesellschaft + Kultur SEITE 13, 15