Opel Bochum wieder Vorreiter

General Motors will in den europäischen Betrieben weitere Werksteile auslagern. Betriebsräte und Gewerkschaften raten dagegen, Fremdaufträge zurückzuholen

Das Europageschäft ist für GM längst zum Gewinnbringer geworden

FRANKFURT/M. taz ■ So schnell kann es gehen: Im Mai berichtete die taz, dass General Motors Europa entgegen seinen Zusagen plane, „auch in seinem Bochumer Opelwerk weitere Arbeitsplätze abzubauen“. Unternehmenssprecher Ulrich Weber dementierte die Meldung damals umgehend. Und auch beim Betriebsrat in Bochum hieß es, davon wisse man nichts. Nur zweieinhalb Monate später will der Mutterkonzern GM im US-amerikanischen Detroit nun ganze Werksteile aus den Fertigungsstätten für Opel auslagern. Losgehen soll es nach den Werksferien – und zwar in Bochum.

Das Bochumer Werk diene als „Vorreiter“, sagte GME-Produktionschef Eric Stevens der Fachzeitschrift Automobilwoche. Man wolle sich beim Autobau auf die „Kernkompetenzen“ konzentrieren: die Endmontage, das Presswerk, den Karosserierohbau und die Lackiererei.

„Alles andere muss raus“, kommentiert der unabhängige Betriebsrat Eugen Kahl die Nachricht aus der europäischen Konzernzentrale in Zürich. Kahl zieht aktuell mit seinen Kollegen von der IG Metall und dem Gesamtbetriebsratsvorsitzenden Klaus Franz an einem Strang. Sie plädieren für eine gewerkschaftliche Gegenoffensive. Wenn Opel etwa die Logistik- und Transportabteilungen oder die Motoren- und Achsenfertigung abgebe, mache sich das Unternehmen von Dritten abhängig, so die Begründung. Franz forderte GME auf, auch bereits vergebene Aufträge wieder zurück in die Stammwerke zu holen.

GME-Vorstandschef Carl-Peter Forster setzt die Vorgaben der Konzernzentrale in den Staaten in Europa konsequent um – und verdient damit wieder Geld. Umgerechnet 124 Millionen US-Dollar erbrachte GME allein im zweiten Quartal. Doch dabei soll es nicht bleiben. Neben der vermeintlich kostensparenden Auslagerung von Betriebskomponenten und dem damit verbundenen Stellenabbau setzt GME auf eine „deutliche Verbesserung der Produktivität durch die Verkürzung der Fertigungsdauer“. Es geht um die Produktion der Modelle Corsa, Astra und Vectra. Und den Zuschlag für die Produktion des neuen Astra erhält das europäische GM-Werk, das am erfolgreichsten externe Betreiber für die auszulagernden Betriebsteile auftreibe, so Produktionschef Stevens.

Das Europageschäft jedenfalls begrenzte den Verlust von GM im zweiten Quartal 2006 auf 3,2 Milliarden US-Dollar. Ohne die im Berichtszeitraum angefallenen Sanierungskosten hätte GM sogar einen Gewinn von 1,2 Milliarden Dollar einstreichen können – trotz der Verluste von 85 Millionen Dollar in den Staaten.

Gerüchte über eine Fusion von GM mit Renault und Nissan verliehen sogar dem seit Jahren abwärtstaumelnden Aktienkurs wieder Aufwind. Kirk Kerkorian, Großaktionär bei GM und „Erfinder“ der Allianz, sei alleine durch diese Börsenbewegungen schon „um einige hundert Millionen Dollar reicher geworden“, sagen Frankfurter Börsianer.

Tatsächlich soll GM-Konzernchef Rick Wagoner seinen Finanzvorstand Fritz Henderson bereits mit der Erarbeitung einer Abwehrstrategie beauftragt haben. Und auch der Vorstandschef von Renault und Nissan, der Libanese Carlos Ghosn, scheint nicht mehr so scharf auf die Installation eines Megakonzerns zu sein. „Wenn nur ein Partner Lust auf die Zusammenarbeit hat, kommt sie nicht zustande“, sagte er.

Kommt die Fusion aber doch, dürfte auf die europäischen GM-Werke die wohl größte Restrukturierungswelle der Automobilbaugeschichte zukommen. In den Staaten übt der Konzern schon mal: 34.000 Jobs wurden alleine in diesem Jahr gestrichen. In Bochum, glaubt Kahl, wird es nicht beim Outsourcing bleiben: „Die eliminieren nach dem Urlaub die dritte Schicht bei der Astra-Produktion.“

Klaus-Peter Klingelschmitt