Was zu beweisen ist

GESUNDHEIT Mit einer Bundesratsinitiative wollen die Grünen die Asbestopfer in ihrem Kampf um Anerkennung stärken. Die SPD ist eher zurückhaltend

Asbest ist hochgradig Krebs erregend, das ist schon seit den Sechzigern bekannt. Dennoch ist es erst seit 1993 in Deutschland komplett verboten, seit 2005 EU-weit.

■ Bis Ende der Siebzigerjahre wurden jährlich rund 170.000 Tonnen Asbest in die BRD importiert.

■ Die Zahl der von der Berufsgenossenschaft anerkannten Fälle der Staublungenkrankheit Asbestose sowie von Asbestlungenkrebs ist seit Mitte der Neunzigerjahre in etwa konstant. Die tatsächlichen Krankheitsfälle werden nach Expertenmeinung dennoch bis 2017 zunehmen. mnz

Es ist wenig passiert, seit die Grünen sich vor 15 Jahren für die zahllosen Asbestopfer unter den Bremer Hafen- und WerftarbeiterInnen stark gemacht haben. Jetzt unternehmen sie einen neuen Versuch. Sie wollen eine Bundesratsinitiative zur Änderung des Sozialrechts starten. Damit jene, die durch ihren Job an Asbestose oder Krebs erkranken, leichter – oder überhaupt – als solche anerkannt werden.

Bislang ist das sehr schwer, das erkennt auch der Senat an, in einer Antwort auf eine große Anfrage der Grünen (taz berichtete). Dabei ist der Bedarf in Bremen besonders hoch: Das Bundesland zählt im Bundesvergleich besonders viel Asbest-Geschädigte, Deutschland wiederum ist stärker betroffen als andere europäische Staaten. Etwa 5.000 einschlägig Erkrankte gibt es in Bremen, sagen die Grünen, und nur etwa jeder Zweite von ihnen wurde als berufskrank anerkannt. Experten erwarten, dass die Zahl der Asbest-Geschädigten noch bis 2017 steigt.

Wer lungenkrank ist und als berufskrank anerkannt werden will, muss nachweisen, dass das Asbest am Arbeitsplatz schuld daran war. Und nicht etwa der eigene Tabakkonsum. Das fällt in vielen Fällen schon deshalb schwer, weil zahlreiche wichtige Unterlagen gemeinsam mit dem Vulkan oder der AG Weser untergegangen sind. Außerdem gelten viele Gutachter bei den Betroffenen als befangen, weil sie als Mediziner auch für die Berufsgenossenschaft arbeiten – die am Ende über Opferrenten zu entscheiden hat. Die Grünen fordern nun zum einen, dass eine anerkannt neutrale Gutachterstelle eingerichtet wird. Zum anderen soll – nach US-amerikanischem Vorbild – die Beweislast umgekehrt werden. Dann wäre es an der Berufsgenossenschaft, nachzuweisen, dass es nicht der Arbeitsplatz war, der schuld daran ist, dass einer Asbestose oder Krebs hat. Ferner fordern die Grünen, dass die Beratungsstelle des Ex-Vulkan-Betriebsrates Rolf Spalek, die seit 2005 ehrenamtlich arbeitet, „langfristig“ abgesichert wird.

Bei der Bremer SPD reagierte man gestern zunächst zurückhaltend: Man wolle den Vorstoß der Grünen „durchdiskutieren“, sagte der Gesundheitspolitiker Winfried Brumma, die Vorschläge „prüfen“, und auch, wie groß überhaupt der Bedarf sei. mnz