Schluss mit Bescheidenheit

EUROPA Auf der CDU-Vorstandsklausur beendet Angela Merkel den großkoalitionären Kuschelkurs. Niedersachse David McAllister wird Spitzenkandidat für die Europawahl

„2019 soll es den Menschen in Europa besser gehen als heute“

KANZLERIN ANGELA MERKEL (CDU)

AUS ERFURT ANJA MAIER

Im noblen Erfurter Pullman-Hotel gibt es Glasaufzüge. In den blau beleuchteten Kabinen sausen die Gäste gut sichtbar auf und ab. Und weil sich hier am Wochenende der Bundesvorstand der CDU traf, sah man zusätzlich zu sämtlichen Parteigrößen auch David McAllister aufwärts gleiten. Und das in gleich doppeltem Sinn.

Denn McAllister wurde in Erfurt zum Spitzenkandidaten für die Europawahl im Mai nominiert – einstimmig, wie Generalsekretär Peter Tauber betonte. Damit ist der im vergangenen Jahr abgewählte CDU-Ministerpräsident aus Niedersachsen zurück in der großen Politik.

Der europapolitisch unerfahrene 43-Jährige tritt nun im Europawahlkampf gegen den populären SPD-Spitzenkandidaten Martin Schulz, 58, an. Der will Präsident des EU-Parlaments und Kommissionspräsident werden. Zugleich soll Schulz Spitzenkandidat der Sozialdemokratischen Partei Europas werden. Die konservative EVP hingegen will sich wohl auf den Luxemburger Jean-Claude Juncker festlegen. David McAllisters Position im Wahlkampf wird also überschaubar bleiben. Denn auch die deutschen Christdemokraten planen, zusätzlich zu ihrem Spitzenkandidaten Listen in allen fünfzehn Landesverbänden aufzustellen.

Merkel betont Soziales

Bei der Abschlusspressekonferenz zur zweitägigen Klausur erklärte CDU-Chefin Angela Merkel, sie halte den konservativen Spitzenmann Jean-Claude Juncker für einen „geeigneten, interessanten Kandidaten“. Gleichzeitig äußerte sie sich zum Europawahlprogramm, das der Vorstand in Erfurt mit beschloss. Final soll das Papier am 5. April auf einem Parteitag in Berlin verabschiedet werden.

Merkel sagte, ihre Partei sehe die EU als bürgernahes Projekt. „Im Jahre 2019 soll es den Menschen in allen Teilen Europas besser gehen als heute.“ Die Kanzlerin betonte neben der wirtschaftspolitischen auch die sozialpolitische Kompetenz ihrer Partei. „Wenn Sie in der Umgebung von 40 Prozent Stimmen bekommen wollen, dann müssen Sie diese beiden Dinge gleichermaßen haben. Da gibt es kein Entweder-oder.“

Damit unterstrich Merkel ihre Absicht, sich Themen wie Arbeit und Soziales nicht länger vom Koalitionspartner SPD aus der Hand nehmen zu lassen. Die Sozis sind in den zurückliegenden Wochen immer wieder mit Initiativen vorgeprescht. Ob Sigmar Gabriels Energiewende, Andrea Nahles’ Rentenpläne oder Frank-Walter Steinmeiers Reisediplomatie – an allen Ecken und Enden poppten im Tagesgeschäft SPD-Minister auf. Höchste Zeit für die Union, nicht länger nur darauf zu verweisen, dass es sich doch um gemeinsame Projekte handle.

Genau darum hat sich nun der Parteivorstand in Erfurt gekümmert. Um den Sozialdemokraten nicht weiter die Hoheit über die Megathemen zu überlassen, wurden drei Arbeitsgruppen gebildet, die spiegelbildlich zur SPD arbeiten sollen. Die stellvertretenden Parteivorsitzenden Armin Laschet, Thomas Strobl und Julia Klöckner werden künftig Themenfelder wie Lebensqualität, Arbeitswelt und Verbraucherschutz beackern.

Es sei immer wichtig, erklärte die Kanzlerin, dass man in den ersten Jahren der Legislaturperiode „die programmatischen Weichen für die nächste Bundestagswahl stellt“. Genau das beabsichtigen Angela Merkel und der Parteivorstand nun zu tun.