Sommerfrische (II)
: Piraten paddeln

Die Großfamilie vor uns bekommt vom Kanu-Verleiher exakte Instruktionen: Nicht zu dicht ans Ufer fahren, nicht zu weit vom Ufer weg – und immer die Schwimmwesten tragen. Dass man nicht im Boot aufstehen und ins Wasser springen soll, sagt der Mann nicht. Wer kommt schon auf solche Ideen. „Wir kennen uns aus“, nuschelt unser Skipper, ein erfahrener Ruderer, und erspart uns damit die zehnminütige Belehrung.

Die Schwimmwesten legen wir auf den Boden des Kanus und paddeln vom „Campingplatz Spitzenort“ durch einen kleinen schattigen Kanal auf den Großen Plöner See. Der Anblick kleiner Fische im glasklaren Wasser verzaubert die Kinder, aber die Mutter denkt nur an die vor ihr liegende Strecke. Bis zum „Landgasthaus Kasch“, wo der Hund „Jule“ die Kinder letztes Mal so freundlich begrüßte, soll die Paddeltour gehen – und zurück. Halbwegs ohne Kreuzschmerzen übersteht das nur, wer die eine oder andere Regelüberschreitung begeht.

Anlegen am Ufer, das hatte der Verleiher schon beim letzten Mal gesagt, ist nicht erwünscht. Die Küste der Seenkette befindet sich überwiegend im Privatbesitz. Und die zahlreichen Inseln sind Naturschutzgebiet. Na ja, am Ufer der ersten Insel des Großen Plöner Sees, direkt vis-à-vis des weißen Schlosses, verweilen wir dann kurz im Schatten der Bäume. Stellen die Füße im knietiefen Wasser auf Grund – fünf Meter Abstand zur Insel, ohne also das Naturschutzgebiet wirklich zu betreten. Die Großfamilie haben wir hinter uns gelassen: Sie paddelt nur im 500-Meter-Radius um die Verleihstation herum.

Aber es geht natürlich weiter, immer geradeaus auf die beiden hässlichen Hochhaustürme zu, die hier einzig die Bilderbuchkulisse stören. Der Skipper hat einen Pfahl im stehtiefen Wasser ausgemacht, am dem wir das Kanu festbinden dürfen, um zu baden. Nackt, sieht ja keiner. Das Wiederreinklettern ist für die Kinder ein Leichtes, für die Großen ein kippeliger Akt. Weiter geht es durch einen schattigen fischreichen Kanal zur „Vegetasche“, einer Umtragestelle, an der das Kanu auf Rollschienen über Land gezogen wird bis zum Behler See. Auch hier ist fast alles Privatgrund, und wo doch ein öffentlicher Uferspazierweg zu sein scheint, schreckt ein kalbsgroßer Hund vom Anlegen ab. Der Hintern schmerzt vom Sitzen, die Kinder quengeln und spritzen sich nass. Es sei nicht mehr weit bis „Jule“, beschwichtigt der Skipper.

Tatsächlich biegt kurz vor dem Dieksee nach zwei Stunden Fahrt ein kleiner Stichkanal ab, der, wie für uns gemacht, direkt am Landgasthaus endet. Hund „Jule“ erkennt die Kinder nicht wieder und das Essen lässt eine Stunde auf sich warten, doch erholt und gestärkt treten wir den Rückweg an. Wo der Stichkanal in den See mündet, laden verlassene Bootshäuser mit Badestegen zum Anhalten ein. Ob wir nicht doch noch eben mal ganz kurz …? Nein. Die gehören irgendwem. Der Skipper bleibt hart. Wir fühlen uns wie landlose Piraten. Erst bei dem Pfahl im überübernächsten See wird uns wieder eine Abkühlung erlaubt. Und auch das ist ja schon gegen die Regeln des Kanu-Verleihers. Der wundert sich übrigens, als wir erst kurz vor Ladenschluss anlanden. Mit Kindern ganz bis zum Landgasthaus Kasch, sagt er, das sei eigentlich „gar nicht zu schaffen“. KAIJA KUTTER