Optimismus aller Orten

Die Kommunalwahlen in Niedersachsen am 10. September sind mehr als ein lokaler Stimmungstest. Die kleinen Parteien dürften neben der Bundespolitik auch vom Auszählmodus profitieren

von KAI SCHÖNEBERG

Sie ähneln sich, sagen viele. Er sehe „besser“ aus als sein Konkurrent Stephan Weill, findet hingegen Dirk Toepffer. Die Hannoveraner können am 10. September selbst entscheiden, ob das reicht, um den CDU-Kandidaten zum neuen Oberbürgermeister zu küren. Knapp sechs Wochen vor den Kommunalwahlen laufen in vielen niedersächsischen Städten die Vorbereitungen auf Hochtouren. In der Landeshauptstadt klebt Toepffers CDU gerade 3.600 Plakate, die SPD kontert mit 4.000 Stellwänden, um den „Wechsel“ von Rekord-OB Herbert Schmalstieg (SPD) zum derzeitigen Stadtkämmerer Weill zu befördern. Wie zufällig lud da „Schmalle“, der seit 34 Jahren Hannovers Geschicke lenkt, am Montag die Kicker von Hannover 96 zu Kaffee und Kuchen ins Rathaus ein.

Die Wahl von 2.200 kommunalen Vertretungen und 318 Landräten und Bürgermeistern ist mehr als ein lokaler Urnengang. 6,4 Millionen Wahlberechtigte können sich auch an einem Stimmungstest beteiligen: über die Politik der schwarz-gelben Landesregierung und über jene der Großen Koalition in Berlin.

Niedersachsen steht vor einem der kürzesten Wahlkämpfe seiner Geschichte: Nur zwei Wochen bleiben den Parteistrategen nach dem Ende der Sommerferien noch zur Mobilisierung. Das dürfte die Wahlbeteiligung nicht gerade fördern: Bei der Kommunalwahl am 9. September 2001 hatten nur 56,2 Prozent der Wahlberechtigten ihr Kreuzchen gemacht – ein historischer Tiefstand. An den Stichwahlen beteiligten sich dann gerade mal noch 39,1 Prozent. Damals hatte die SPD ihre Hochburg Braunschweig an den CDU-Kandidaten Gert Hoffmann verloren, in Oldenburg stieß dafür Dietmar Schütz (SPD) den CDU-OB Jürgen Poeschel vom Thron.

20 Parteien stehen diesmal zur Wahl und das auch für EU-Bürger und Jugendliche ab 16 Jahren. Hauptsächlich werden sich CDU und SPD im Wettbewerb um die stärkste Kraft im Land beharken. Bei den Direktwahlen von Bürgermeistern und Landräten haben sich auch aussichtsreiche unabhängige Kandidaten aufgestellt, etwa der Hildesheimer OB Kurt Machens. Um Platz drei streiten Grüne und FDP – „versehentlich“ preschten so die Grünen in Hannover schon vor Wochen mit einer Plakatorgie vor. Die Liberalen haben dafür die pfiffigeren Slogans: „Mein Opa hat die selbe Schule besucht wie ich. Sieht man ihr auch an“, heißt es auf einem Plakat, auf dem ein Junge missmutig drein schaut.

Die CDU hat große Ziele: „Keine Wahlgeschenke“ wollte Landeschef Christian Wulff bei der Sparklausur seines Kabinetts für das kommende Jahr verteilen. Tatsächlich hat er mit seinen Plänen für den Landesetat 2007 aber auch niemandem weh getan – offenbar auch wegen der Wahlen. „Die CDU war bei Kommunalwahlen in Niedersachsen immer die führende Kraft, und das wollen wir auch bleiben“, sagt Generalsekretär Ulf Thiele. 42,6 Prozent hatten die Christdemokraten vor fünf Jahren eingefahren und damit 10.300 Mandate in Landkreisen, Städten und Gemeinden erobern können. „Wenn wir wieder so um die 40 Prozent liegen“, so Thiele, „können wir zufrieden sein.“

Auch die Sozialdemokraten sind trotz des Desasters bei der Landtagswahl 2003 zuversichtlich: „Wir sitzen der CDU im Nacken“, sagt SPD-Fraktionschef Wolfgang Jüttner. Bei der Bundestagswahl im September 2005 hatte sich Niedersachsen wieder einmal als sichere SPD-Bank erwiesen. Mit 43,2 Prozent lag die SPD nicht nur weit über dem Bundesdurchschnitt, sondern auch fast zehn Prozentpunkte vor der Union. Nun will Jüttner, dass die SPD „stärkste Kraft“ wird – und „drei Städte von der CDU übernehmen: Göttingen, Hameln und Delmenhorst“.

Optimistisch denken auch FDP und Grüne: Die Öko-Partei will aus ihren jetzt 720 kommunalen Mandaten mehr als 1.000 machen und setzt unter anderem auf Fraktionschef Stefan Wenzel, der in Göttingen als OB kandidiert. Die Liberalen hoffen ihre kommunalen Mandate von derzeit 550 auf rund 700 vermehren zu können.

Chancen versprechen sich die Kleineren nicht nur durch Rückenwind aus der Bundespolitik, sondern auch durch das nach der Kommunalwahl 2001 geänderte Auszählverfahren. Denn an die Stelle des nach dem belgischen Juristen Victor d‘Hondt benannte Höchstzahlverfahren tritt das von dem englischen Rechtsanwalt Thomas Hare und dem Aachener Professor Horst Niemeyer entwickelte Proporzsystem, das kleinere Parteien begünstigt. Schon dadurch „werden Grüne und Liberale diesmal hunderte Mandate mehr bekommen“, tippt CDU-Fraktionschef David McAllister, dem die FDP die Änderung abgerungen hatte. „Die Räte werden bunter werden.“