Kunstrundgang
: Brigitte Werneburg schaut sich in den Galerien von Berlin um

Andreas Diefenbach, wieder ab 15. August bis 2. September, Di-Sa 11-19 Uhr, Galerie Christian Nagel, Weydingerstr. 2

Der Kartoffelchip ist nicht nur ein zweifelhaftes Knabberzeug, – er ist auch ein Flugobjekt. Konstruktiv betrachtet. Tatsächlich schießt er durch den Windkanal in die Tüte, wo er sanft landen muss, schließlich will niemand Brösel kaufen. Dazu besitzt er eine – auf keinen geringeren als den Telefonerfinder Alexander Graham Bell zurückgehende – ideale Landungsform. Diesen Kartoffelchip hat nun Andreas Zybach in die Halle von Johann König gehängt. Miteinander verstrebte Aluminiumtetraedern, eine knapp drei Meter mal drei Meter messende Fläche, bilden eine reizvolle Skulptur. Ihr Konstruktionsprinzip wiederholt sich im nebenstehenden Trägerfragment einer Flugzeughalle. Konrad Wachsmann (Architekt des Sommerhauses von Albert Einstein in Caputh 1929) entwickelte sie einst für die US Air Force. Als ein jederzeit auf- und abbaubares Modulsystem, dessen Idee ihm die Botanik lieferte. Heute nennt sich das Bionik und ist der ganz heisse Scheiß. Wir dürfen Andreas Zybach also Leonardo nennen, nicht nur weil die Bionic in ihm, dank seiner Analysen des Vogelflugs samt daraus entwickelten Objekten, ihren Gründungsvater sieht, sondern weil Zybachs Ausstellung sexy ist. (Di Caprio meinen wir trotzdem nicht).

Was wohl Andreas Diefenbach mit dem Kartoffelchip alles angestellt hat im Kochkurs von Peter Kubelka an der Städelschule? Wir wetten: Er hat ihn remixt – wie seine erste Berliner Einzelausstellung bei Christian Nagel belegt: Da schauen einem die Disney-Comic-Augen von Michel Majerus an; da tropfen die Penisnasen à la Paul McCarthy, gar nicht zu reden von all den Polke-Richter-Oehlen-Kippenbergerspuren. Für seine „beherzte Inkompetenz“ (Galerietext) nimmt dann endgültig der Bildtitel „ ... trat Adorno unserem Autor Michael Rutschky auf den Fuß. Näheres im Artikel“ ein. Fragezeichen? Ausrufezeichen!

Andreas Zybach bis 26. August, Di-Sa 11-18 UhrGalerie Johann König, Dessauer Str. 6-7