Das große Schaunmermal

Die Fußball-Bundesliga vor dem Start (3): Natürlich wird der FC Bayern wieder Meister – vielleicht sogar mit attraktivem Fußball. Doch noch weiß niemand, wie die Post-Ballack-Ära aussehen wird

AUS MÜNCHEN THOMAS BECKER

Was bleibt von der WM? Ein Jetlag. Einige Nationalspieler werden nach knappem Urlaub mit Trainingsrückstand in die Saison gehen. Kahn, Lahm, Schweinsteiger und Podolski mussten rechtzeitig zur Japan-Strapaze antreten, Fast-Weltmeister Sagnol stieß als Letzter zum schon seit Wochen schwitzenden Kader. WM-Blues schieben die Frühgescheiterten Lúcio, Karimi und Santa Cruz. Auf einer Wolke des Selbstbewusstseins dürfte dagegen Owen Hargreaves schweben. Der schaffte mit 25 so etwas wie den Durchbruch im Nationalteam und zählte schon in der Rückrunde zu den besten Bayern: starker Stammplatzverdacht. Käpt’n Kahn wird sich auf einen Platz ganz weit weg von der Bank freuen.

Wer sind die Stars? Die Hochkaräter der Branche spielen auch weiterhin beim Gegner: in Madrid, London oder dem Juve-freien Rest-Italien. Die Liga-Stars van Buyten und Podolski sind fest eingeplant. Vor allem auf den lebensfrohen Rheinländer freut sich die Boulevardpresse schon. Star-Kollege Schweinsteiger sagt über den neuen Spielkameraden: „Irgendwie haben wir was miteinander. Ich weiß nur nicht, was.“ Schaunmermal.

Was macht der Trainer? Alles anders. Seit zwei Jahren ist Magath Bayerncoach, doch die Feuertaufe steht ihm erst jetzt bevor. Bislang stellte sich das Team des FC um Ballack mehr oder weniger selbst auf. Jetzt ist der Anführer weg, eine neue Hackordnung muss sich entwickeln. Und wohl auch ein neues Spielsystem, da ein Ballack-Klon nicht in Sicht ist – und auch von Magath nicht angefordert wurde. In puncto Personalakquise ist er ein genügsamer Zeitgenosse: Er trainiert das, was auf dem Rasen steht. Die Ausnahme war im vergangenen Jahr Ali Karimi, den er sich zum Erstaunen aller ausdrücklich gewünscht hatte. Den Iraner werden wir in dieser Saison an prominenterer Stelle sehen.

Wie sieht die Taktik aus? Gute Frage. Als verbrieft darf bislang nur gelten: zwei Stürmer, Makaay und Podolski. Offen ist die Abwehrformation: Eine Dreierkette mit Lúcio, van Buyten und dem derzeit noch verletzten Ismaël ist laut Magath durchaus denkbar. Sagnol und Lahm würden ins Mittelfeld rücken. Dort ist das Gedränge traditionell am größten, doch gibt es diesmal wenig Gesetzte. Den Sechser wird wohl Hargreaves statt Demichelis geben, doch wie es weiter vorne aussieht, steht in den Sternen. Die Ballstreichler Schweinsteiger, Karimi, Scholl, Santa Cruz, dos Santos und irgendwann auch wieder Sebastian Deisler wird Magath zum Kreativ-Cocktail mixen müssen. Einig ist man sich, dass das Potenzial vorhanden ist und bislang nur wegen der Ballack-Fixierung nicht wirklich zum Tragen kam.

Sind die Fans glücklich? Wann ist ein Bayern-Fan happy? Ein Mensch also, der sich in erster Linie Sorgen machen muss, dass er mit seinen zigzehntausend Kumpels von ein paar tausend Gäste-Fans niedergebrüllt wird und dass sein Klub diesmal nur mit 5 statt 14 Punkten Vorsprung Meister wurde. Wenn er es schafft und eine Karte für die dauerausverkaufte Arena ergattert? Wenn er lauthals Wiiilllyyy brüllt, obwohl Sagnol auch nach sechs Jahren in München noch so zaghaft deutsch spricht wie der Bayern-Fan französisch? Wenn es wieder einen Derby-Sieg gegen 1860 zu feiern gibt? Wenn Mehmet Scholl drei Partien am Stück durchspielen darf? Wenn Schweini und Poldi zusammenziehen? Oder erst wenn das „Triple“ mit tollem Zauberfußball erreicht wird? Ehrlich gesagt: Wir wissen nicht, wann ein Bayern-Fan glücklich ist.

Die Prognose: Platz 1. Wie immer. Wie langweilig? Ausnahmsweise nicht. Es wird eng werden, weil es dauert, bis sich das ballacklose Team gefunden hat. Es wird anders Fußball gespielt werden – wahrscheinlich sogar attraktiver, überraschender.

Der X-Faktor: Das All-Star-Team. Seit Anfang Juli mixt Chefscout Wolfgang Dremmler ehemalige Kick-Größen zusammen, die zu karitativen Zwecken die Stiefel schnüren. In Japan liefen unter anderem Hansi Müller, Andy Brehme, Wiggerl Kögl, Paulo Sérgio, Christian Nerlinger und auch die Bayern-Bosse Magath und Rummenigge auf. Letzterer führt natürlich die Torschützenliste an und wird es sich nicht nehmen lassen, im Falle einer Makaay-Krise höchstselbst gegen Mailand, Madrid und Manchester anzutreten.