Neues Enthüllungsportal für brisante Informationen

DOKUKRIEG Mit „The Intercept“ rüsten Journalisten zum nächsten Kampf

Es wird also Krieg geben. Nein, anders: Es gibt ja diesen Krieg schon längst. Aber weil die übermächtigen Waffen im Informationskrieg bislang noch zumeist bei den etwas besser ausgestatteten Geheimdienst- und Militärbehörden – wie der NSA oder dem britischen GCHQ – lagen, hat ein mächtiger Journalistenverbund jetzt aufgerüstet: Am Montag präsentierte der Enthüllungsjournalist Glenn Greenwald gemeinsam mit einigen KollegInnen ein recht simpel gestricktes Blog, der nun weltweit – vermutlich zu Recht – als neues Enthüllungsportal gefeiert wird. The Intercept. Aber was soll das bedeuten?

Interception – das heißt zu Deutsch etwa Abfangen, Abhören oder Überwachen. Und Intercept – da geht es, aufgepasst, um kristallografische Parameter, um Höhenunterschiede von Aufnahmestandpunkten in der Luft und andere komplizierte Dinge. Vereinfacht gesagt: um Lufthoheit also.

Genau das ist der Grund, weshalb das Projekt von Greenwald und Co seit Wochen mit Spannung erwartet wird. Hinter der Homepage verbirgt sich eines der womöglich ambitioniertesten Journalismusprojekte der letzten Jahre: Eine erste Garde globaler Enthüllungsreporter, ein Sack voll vertraulicher Dokumente aus dem Nachlass Edward Snowdens sowie ein Detail, das jede Kampfkasse braucht: Kohle ohne Ende.

Kohle ohne Ende

Dafür will der eBay-Mitbegründer Pierre Omidyar sorgen, der als Milliardär mit einer Vorliebe für sinnvolle Hobbys gilt. 2013 entschied er sich nach eigenen Angaben gegen den Kauf der Washington Post. Stattdessen will er rund 250 Millionen Euro für Projekte rund um Glenn Greenwald und dessen Team investieren, zu dem neben der Filmemacherin und Snowden-Dokumentarin Laura Poitras auch der Enthüllungsjournalist Jeremy Scahill gehört. Unter dem Dach des Intercept haben die drei bereits jetzt ein kleine Avantgarde weltweit geachteter Journalisten vereinigt. Einer der ersten Beiträge wurde von dem Künstler und Investigativjournalisten Trevor Paglen verfasst, der in den letzten Wochen mit seinen Arbeiten in Deutschland hohe Aufmerksamkeit erreichte.

Snowdens Dokumente

In den kommenden Wochen sollen auf dem Blog sowohl neue Recherchen als auch Originaldokumente aus dem Fundus Edward Snowdens veröffentlicht werden, weshalb die Homepage von vielen als neue „Enthüllungsplattform“ gefeiert wird. Anders etwa als bei der Enthüllungsplattform Wikileaks dürften sich die BetreiberInnen des Blogs ihr Erstverwertungsrecht wohl sorgsam sichern. Faktisch handelt es sich also in erster Linie um ein Blog mit sehr brisantem Material. Die Homepage mit dem Fokus auf Spionage, Überwachung, Cyberwar und Militär soll nur das erste in einer Reihe von exklusiven Rechercheprojekten sein. Medienjournalisten blicken auch deshalb weltweit auf das Projekt, weil sich an ihm zeigen könnte, ob hochspezialisierte Blogs dem traditionellen Verlagsmodell künftig gesellschaftspolitisch wie ökonomisch den Rang ablaufen könnten. Medienmacher in Deutschland diskutierten zuletzt kämpferisch darüber, ob sich Enthüller wie Glenn Greenwald eigentlich Journalisten nennen dürfen.

Darauf gab es am Montag eine unmissverständliche Antwort: Gleich drei Mal taucht das hübsche Wort „aggressiv“ in der Selbstbeschreibung des Projekts auf. Es gehe um aggressiven und um anwaltschaftlichen Journalismus, schreiben die Herausgeber dort. Und das dürfen wohl nicht nur die oberen Geheimdienstgeneräle als Kampfansage verstehen. MARTIN KAUL