mein perpetuum mobile von CORINNA STEGEMANN
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Ich habe es geschafft, jawohl! Ich habe ein Perpetuum mobile erfunden. Eigentlich nicht erfunden, ich habe es durch Zufall entdeckt. Alles fing mit einer Dose Handcreme an, deren Inhalt nach ein paar Gebrauchstagen so ideal gelagert und gerutscht war, dass die Dose tatsächlich einen ganzen Tag lang ohne Energiezufuhr ununterbrochen im Kreis herumrollte. Gott ist mein Zeuge, Kollegin Andrea vom taz-Plan auch, außer den beiden und mir hat es leider niemand gesehen.

Als ich es abends zu Hause noch mal ausprobierte, funktionierte es schon nicht mehr, weil in der Hitze und durch den Transport die Creme-Masse verrutscht war. Aber ich wusste ja nun, wie es eigentlich geht, und kaufte mir noch ein paar von diesen Cremedosen, die ich dann vom Inhalt befreite. Jetzt galt es, eine Masse zu finden, die ähnlich schwer wie Handcreme, aber weniger labil war. Eine solche Masse – wenn ich sie erst gefunden hätte – wollte ich in dem Cremedöschen verteilen, ganz so, wie die Handcreme verteilt war, als mein Perpetuum mobile noch funktionierte.

Versuche mit Knetgummi scheiterten kläglich, weil es zu schwer war. Nasse Watte war zu unberechenbar und getrocknete Zahncreme zu leicht. Aber Kartoffelbrei brachte in frischem Zustand immerhin einen Teilerfolg – das Perpetuum Mobile bewegte sich eine knappe Stunde, aber sobald der Kartoffelbrei austrocknete, schlief es ein.

Wäre ich etwas weniger ehrgeizig, hätte ich aufgegeben, aber nun hatte ich Blut geleckt, denn ich wusste ja, dass es eigentlich funktioniert. Wohlmeinende oder spöttische Kommentare zu meinen Experimenten perlten an mir ab wie Wassertropfen an … – nun ja, Creme.

Gute „Freunde“ versuchten mir beizubringen, dass schon viel größere Geister als ich am Perpetuum mobile gescheitert seien, dass es einfach nicht funktionieren könne, dass es allen Naturgesetzen widerspräche, aber ich hatte es ja gesehen, ich musste nur versuchen, diesen speziellen Zustand wieder herzustellen.

Der erste Freund kehrte sich nach ein paar Wochen von mir ab, weil er angeblich nicht die Ölmafia am Hals haben wollte, die ja zwingend auf den Plan treten würde, wenn ich erst fertig und erfolgreich mit meinen Versuchen wäre. In Wirklichkeit fand er mich nur noch bescheuert, das war mir klar.

Ich sah auch im Internet nach, ich wollte wissen, ob und wie andere Leute es versucht hatten, aber dort fand ich nur lächerlich aufwändige mechanische Konstruktionen, die allesamt nicht funktionierten, oder abwegige philosophische Abhandlungen, die zu nichts führten.

Es war zum Wahnsinnigwerden, ich konnte nicht mehr essen und hatte Fieberträume, fast glaubte ich selbst nicht mehr, dass Gott, Andrea und ich es ja gesehen hatten, ja, ich zweifelte an der ganzen Idee – aber dann kam der Durchbruch: ein zurechtgestutztes feuchtes Postschwämmchen, in Folie eingeschweißt, haargenau im Cremedöschen platziert und mit Superkleber fixiert, brachte den gewünschten Erfolg! Seit Tagen nun beobachte ich mein Perpetuum mobile, und es rollt und rollt und rollt …

Ich werde diese Erfindung für immer ganz für mich allein auskosten, denn ich will ja nicht die Ölmafia am Hals haben.