Der Messias und die Manager

Die Bundesliga vor dem Start (4): Der Hamburger SV. Sieben Antworten auf sieben Fragen von der Elbe

Was bleibt von der WM? Der HSV hat zwar nach den Bayern die zweitmeisten Bundesligaspieler zur WM abgestellt, aber lange hat das Turnier sie allesamt nicht beschäftigt: Der Iraner Mahdavikia, der Ivorer Demel und der Tscheche Jarolim konnten sich nach der Vorrunde in den Urlaub verabschieden. Für das holländische Trio Boulahrouz, de Jong und van der Vaart war am 25. Juni im Achtelfinale Schluss. Einen Tag später hatte es die Schweiz mit Rafael Wicky erwischt. Ein WM-Kater wegen erschöpfter Spieler droht dem HSV also nicht.

Wer sind die Stars? Unumstrittener König ist Rafael van der Vaart. Bei dem kleinen Strategen mit dem starken Schuss müssen alte HSV-Fans immer an die seligen Zeiten eines Kevin Keegan denken, außerdem ist er charmant und hat eine Frau, die sich nicht scheut, den Boulevard zu bedienen. Das Zeug zum Star hat auch der neue Abwehrchef Vincent Kompany aus Belgien, der jetzt schon spielt wie der zu den Bayern abgewanderte Daniel van Buyten, aber nicht so furchterregend aussieht. Publikumsliebling ist und bleibt aber nur einer: „Meeeeeehdi!“ schallt es durchs Stadion, wenn Mahdavikia in die Nähe des Balls kommt. Der ehemalige Außenstürmer war eigentlich schon vor Beginn der vergangenen Saison ausgemustert worden. Dann legte er ein bärenstarkes Comeback hin – als rechter Verteidiger.

Was macht der Trainer? Thomas Doll genießt in Hamburg ungefähr den Status eines Messias. Mit zumindest äußerlicher Leichtigkeit hat er das Team vom Tabellenende ganz dicht an die Spitze geführt. Damit hat er sich einigen Kredit erarbeitet. Aber an der HSV-Spitze stehen knallharte Manager, für die nur ein Ziel zählt: ran an die Fleischtöpfe der Champions League. Nach der im letzten Saisonspiel gegen Werder Bremen verpassten Direktqualifikation ahnte Doll die Tragweite: „Wir haben eine Riesensaison gespielt, sind aber nicht belohnt worden“, sagte er.

Wie sieht die Taktik aus? Schon fast Makulatur ist die Lieblingsaufstellung von Doll nach dem Ligapokal-Halbfinale gegen Werder Bremen: eine Spitze, dahinter sehr offensiv van der Vaart und Trochowski sowie eine Dreierkette aus Wicky, Jarolim und de Jong. Dahinter steckt eine gute und eine schlechte Nachricht: De Jong bewegt sich so ungeschickt, dass man ihm selbst bei harmlosen Tacklings böse Absicht unterstellt, was ihn für das zentral-defensive Mittelfeld zu einem Risikofaktor macht. Andererseits harmonierten Guerrero und Sanogo im Angriff schon am ersten Arbeitstag so prächtig, dass man sie regelmäßig zusammen sehen möchte. Könnte sein, dass statt de Jong ein zweiter Stürmer aufläuft.

Sind die Fans glücklich? Seit dem Bau der neuen Arena herrscht beim HSV der Dauerwahnsinn. Alle 32.000 Dauerkarten sind verkauft. Und die Stimmung hat mit der Friedhofsatmosphäre des alten Volksparkstadions nichts mehr zu tun. Aber nach jahrzehntelanger Durststrecke lechzen die Fans nach Titeln.

Die Prognose: „Wir wollen in die Champions League“, lässt Präsident Bernd Hoffmann keinen Zweifel an dem, was erreicht werden soll – und wohl auch muss. Wenn der HSV sich nicht in der Qualifikation gegen Osasuna durchsetzt, muss eben am Saisonende ein Startplatz für die europäische Geldliga rausspringen. Leicht wird das nicht, hatte man doch schon in der vergangenen Saison häufig das Gefühl, dass der HSV am Limit spielte. Immerhin: Da reichte es quasi ohne Sturm zu Platz drei. Wenn die neuen Angreifer einschlagen, könnte das wieder gelingen.

Der X-Faktor: Spielt heute leider in Leverkusen. Ob der HSV es schafft, Sergej Barbarez zu ersetzen, ist die große Frage. Nicht nur den Sergej Barbarez, der auf fast jeder Position außer im Tor spielen kann, der den tödlichen Pass beherrscht und mit seinen vielen Toren aus dem offensiven Mittelfeld so manches Spiel entschieden hat. Sondern auch den Querkopf, der im Team eine Instanz war, die Kollegen mitreißen konnte und mit der Zeit zu einem Hamburger aus Überzeugung wurde. JAN KAHLCKE