Kein Kommentar!
: Mach’s gut, MTV!

Diese Woche ist MTV seit 25 Jahren auf Sendung. Mit dem Konzept von damals hat es nicht mehr viel zu tun. Der Rest im Fernsehen aber auch nicht.

Vor vier Wochen ist Rudi Carrell gestorben. Alle haben gewusst, dass es bald so weit sein wird. Er hat dem SZ Magazin ein großartiges Abschiedsinterview gegeben und bei der Verleihung der Goldenen Kamera Scherze über seine Krankheit gemacht. Vielleicht war das tatsächlich ein Anlass, ein bisschen betrübt zu sein. Obwohl man natürlich wusste, dass Carrell ein Arsch gewesen sein muss: chauvinistisch, rüde im Umgang mit Kollegen, eitel. Hat er ja selbst nicht gerade geheim gehalten.

Nur vor der Kamera, da war er gut gelaunt, großzügig, freundlich. Man muss nicht „Am laufenden Band“ gesehen haben, um Carrell als Unterhalter zu schätzen. Es gab Samstagabende, an denen er Ende der 80er „Lass dich überraschen“ trällernd die Showtreppe hinunterkam, Großmütter mit spontanen Fallschirmsprüngen überrumpelte oder verschollen geglaubte Verwandte aus Australien einflog, weil die perplexen Familienmitglieder, die im Publikum saßen, lange keinen Kontakt mehr hatten. Es gab ja noch kein Internet.

Vor einer Woche ist David Hasselhoff am Londoner Flughafen betrunken aufgelesen worden. Bei „Exklusiv“ auf RTL haben sie groß darüber berichtet: Der Star aus „Knight Rider“ und „Baywatch“ verkraftet seinen verblassenden Ruhm nicht. Sie haben gezeigt, wie Hasselhoff auf einem dieser kleinen Flughafen-Gepäckwägelchen abtransportiert wurde und immer wieder in seinen nassen Schritt gezoomt, weil er sich offenbar in die Hose gemacht hatte. Als er sah, dass er gefilmt wurde, lächelte Hasselhoff – einfach weil er es gewohnt war, das zu tun, wenn die Kameras an waren. Man hat geahnt, wie sehr sie sich bei „Exklusiv“ über den Vorfall gefreut haben: Ex-Serienstar auf Abwegen – eine tolle Geschichte! Dann wieder der Zoom auf die Hose.

Diese Woche ist MTV 25 Jahre alt geworden – aber nicht das Music Television, das man von früher kennt. Es gab Zeiten, als das Kabelfernsehen in die deutschen Wohnzimmer kam, da schaltete man nicht zuerst RTL oder Tele 5 ein, sondern MTV, weil man endlich sehen wollte, wer eigentlich diese Kristiane Backer ist, und zuhören, wie Leute aus allen europäischen Ländern bei „Most Wanted“ anriefen und erzählten, welche Songs sie gerade toll fanden. Man wartete Wochenende für Wochenende darauf, Videoclips von Lieblingsbands aufzeichnen zu können, für die man sich heutzutage schämen muss. Das würde inzwischen nicht mehr gehen.

Es gibt junge Leute, für die Rudi Carrell bloß ein alter Mann ist, der schlechte Scherze auf RTL gemacht hat. Die über David Hasselhoff lachen, weil er mit seinem Auto geredet hat. Und für die MTV bedeutet zuzusehen, wie sich Verrückte in Einkaufswägen steile Straßen hinunterschubsen lassen, brunftige Großkotze sich um eine blonde Bikinischönheit balgen oder Mütter alles dafür tun, ihrer Tochter ein Date mit einem Trottel anzudrehen. Leute, die das nur so kennen und mit all dem anderen gar nichts anfangen können, weil es gar nicht in die Zeit passt. Das ist komisch. Manchmal komme ich mir schon ganz schön alt vor. PEER SCHADER