DIE EINIGUNG MIT VER.DI WIRD DEN ÄRZTESTREIT NICHT BEENDEN
: Die Arbeitgeber haben sich verzockt

Wenn eine Tarifrunde nur zwei Tage dauert, dann ist etwas faul. Man stelle sich mal vor: Die IG Metall und Gesamtmetall treffen sich erstmals an einem Montag – und schon am Dienstag präsentieren sie das Ergebnis. Das Undenkbare haben im Ärzte-Streit an kommunalen Kliniken die Arbeitgeber sowie die Gewerkschaft Ver.di und der Deutsche Beamtenbund nun vorexerziert. Was faul daran ist? Der Abschluss für 400.000 Klinikbeschäftigte entspringt rein machtpolitischem Interesse von Arbeitgebern wie beider Gewerkschaften, die Ärztegewerkschaft Marburger Bund an den Rand zu drängen. Der vermeintliche Coup wird sich für die beiden Komplizen aber als Niederlage erweisen.

Ver.di ist ja nur eingesprungen für den Marburger Bund, der die Tarifgespräche abgebrochen hatte. Zudem ist Ver.di im Ärztestreit überhaupt nicht Ansprechpartner der Arbeitgeber, da sie nur 1.400 der 70.000 kommunalen Klinikärzte vertritt. Doch seit sich der Marburger Bund (50.000 kommunale Klinikärzte) selbstständig gemacht hat, ist Schluss mit gewerkschaftlicher Solidarität. Es geht Ver.di, der Jahr für Jahr Mitglieder verlustig gehen, schlicht um die Tarifhoheit gegenüber dem Konkurrenten. Doch die Rechnung, dass der Marburger Bund wie bei den Ländern Mitte Juni den Ver.di-Abschluss erneut übernimmt, wird nicht aufgehen. Er braucht ein eigenes, höheres Ergebnis, weil andernfalls ihrem Separatismus die Legitimation entzogen würde. Er wird weiter streiken.

Auch die Arbeitgeber haben sich deshalb verzockt: Sie sehen sich nicht nur mit weiterer Unnachgiebigkeit des Marburger Bundes konfrontiert. Die Ärztevertretung will zudem den Tarifgrundsatz „Ein Betrieb, ein Tarif“ aushebeln und hat den Rechtsweg beschritten. Sie will einen speziellen Ärztetarifvertrag durchsetzen. Sollte der Marburger Bund – ähnlich wie 2003 die Lokomotivführer gegenüber Transnet – Erfolg haben, müssten die Arbeitgeber künftig mit zwei Gewerkschaften separat und mit deutlich unterschiedlichen Ergebnissen verhandeln. Hier das Pflegepersonal, da die Ärzte: Die Arbeitgeber müssten sich um den Betriebsfrieden sorgen. Und das Großkonglomerat Ver.di wird mitansehen müssen, wie die Tariflandschaft weiter zersplittert. THILO KNOTT