„Den Prozess begleiten“

PALLIATIVMEDIZIN Die Koordinatorin des Ethik-Konsils am UKE spricht über schwierige Therapiefragen

■ 39, ist Koordinatorin des Ethik-Konsils und seit 2014 auch Beauftragte für klinische Ethik am Universitätsklinikum Eppendorf.

taz: Frau Woellert, was tun Sie im Ethik-Konsil des UKE?

Katharina Woellert: Wir sind ein Beratungsgremium, das auf Anfrage tätig wird, wenn jemand mit einer Therapieentscheidung ethische Probleme hat.

Ein Beispiel?

Bei einem nicht mehr ansprechbaren Menschen mit fortgeschrittener Tumor-Erkrankung stellt sich die Frage, ob eine weitere Chemotherapie angebracht ist. Dafür spricht, dass sie den Krankheitsverlauf aufhalten könnte. Es geht ja um die Verlängerung von Lebenszeit, die gewinnbringend gestaltet werden sollte. Auf der andere Seite steht die Überlegung, dass diese Therapie sehr belastend für Patienten und Angehörige ist.

Wie soll der nicht ansprechbare Patient seine Lebenszeit gewinnbringend gestalten?

Das können kleine Dinge sein: sich noch mehr von den Angehörigen zu verabschieden durch Blicke, durch das Teilen von Zeit. Wenn die Therapie den Patienten noch einmal in diese Lage versetzt, ist es eine Überlegung wert.

Und das Ethik-Konsil prognostiziert, ob das passieren wird?

Nein. Wir lassen zunächst alle zu Wort kommen, die fachlich etwas dazu beitragen können. Die Prognose obliegt dann letztlich den Ärzten.

Und wenn die unermüdlich weiter therapieren wollen?

Wenn wir glauben, dass sich die Ärzte, eben weil sie beteiligt sind, nicht ganz objektiv äußern können, ziehen wir Kollegen hinzu, die mit diesem Fall noch nichts zu tun hatten.

Wie viele Personen sitzen im Ethik-Konsil?

Insgesamt 14 Menschen: Ärzte, Pflegende, Juristen, Seelsorger, ich als Ethikerin und eine Mitarbeitern aus dem Sozialbereich. Wer an einer Beratung teilnimmt, hängt vom jeweiligen Fall ab. Es sollten immer ein Arzt und eine Pflegekraft dabei sein, oft auch ein Seelsorger und ein Jurist. Ich als Koordinatorin bin fast immer dabei.

Ist der Rat des Ethik-Konsils bindend?

Der Königsweg lautet „Prozessbegleitung“. Das heißt, dass wir den Reflexionsprozess begleiten. Dass wir alle Perspektiven zu Wort kommen lassen und immer wieder herausarbeiten: Wo ist da die Moral berührt? Oft reicht das aus, und die Betroffenen finden von allein eine Lösung, mit der alle gut leben können.

Und wenn nicht?

Wenn wir darum gebeten werden, geben wir als Konsil ein Votum ab.  INTERVIEW: PS

Vortrag „Was ist, was will und was kann Ethikberatung?“: 18 Uhr, Hörsaal des Medizinhistorischen Museums am UKE, Martinistr. 52