WAS BISHER GESCHAH (5)
: Bilder wie eine voyage

Sie betritt das Podium mit ihrer schwarzen Jacke unter dem Arm. Agnès Godard. Ein Name, der vielen nicht vertraut ist. Aber Godard ist auf ihrem Gebiet ein Star. Die französische Kamerafrau wurde vor allem durch ihre Zusammenarbeit mit der Regisseurin Claire Denis bekannt. Sie stand jedoch auch hinter der Kamera bei Wim Wenders’ Klassiker „Der Himmel über Berlin“. Bei den Berlinale Talents berichtet Godard über ihre Erfahrungen mit verschiedenen Filmemacherinnen und Filmemachern, über Distanz, Kameraführung, Licht und Bilder.

Wie sie zum Kino kam, sei eine banale Geschichte, sagt Godard. Ihr Vater fotografierte viel, und als er starb und sie seine Fotos fand, war ihr klar, dass es sein Kommunikationsweg war. Sie drehte Godard ihren eigenen Kurzfilm und widmete ihn ihrem Vater.

Agnès Godard studierte am renommierten Institut des haute études cinématographiques, an dem sie 1980 ihr Kamerastudium abschloss. Ihre Zusammenarbeiten mit Regisseurinnen und Regisseuren wähle sie anhand des Drehbuchs und der Person aus. Zusammenarbeit sei das Wichtigste, sagt Godard mehrmals. Und noch einen Satz wiederholt sie immer wieder: „Bilder sind ein großartiges Werkzeug, um Geschichten zu erzählen – wie eine voyage.“

Arbeit der Kamerafrauen

Godard spricht leise, bedacht, sie macht lange Pausen. Manchmal wirkt sie eingeschüchtert, als ob sie nicht so gerne über ihre Arbeiten reden möchte. Der erste Filmausschnitt, der gezeigt wird, ist aus „Beau Travail“ – die Regiearbeit von Claire Denis begleitet junge Legionäre in Dschibuti, Ostafrika. Schwitzende Männerkörper, die einen Parcours durchlaufen. Schnell. Die Hitze ist in jedem Bild spürbar. Godard hat den ausschließlich männlichen Cast bei ihren Vorbereitungen mehrfach in einer Sporthalle besucht. Dort hat sie observiert, sich Gedanken gemacht. Gedreht hat sie am Ende auf 35 mm mit der Kamera auf den Schultern. „Es ist unmöglich, das gleiche Bild zweimal zu drehen. In jeder Einstellung entdeckt man etwas Neues.“ Fragen wie „Wo bist du?“ und „Wie schaue ich?“ sind also zentral in der Kameraführung. „Ich hatte Glück, mit diesen Männern zu drehen und sie zu beobachten“, sagt Godard. Dann lacht sie.

Die französische Kamerafrau ist bescheiden. „Was ich sage, ist nicht die Wahrheit, es ist die Art, wie ich fühle, Dinge zu drehen. Es gibt aber viele Möglichkeiten.“ Grundsätzlich mache ihr aber Technik Angst. In „Winterdieb“ drehte Godard das erste Mal digital. Anhand einer wichtigen Schlüsselszene erklärt sie ihre Vorgehensweise: „Schlicht ist das Beste. Ich hatte die Idee, dass die Gesichter am wichtigsten seien, weil sich dort die Überraschung und Intimität widerspiegeln.“ Überhaupt: Das Wort „schlicht“ scheint für Godard wichtig, wobei sie vielleicht eher einen reduzierten Zugang meint, denn die Wirkung ihrer Bilder ist nicht schlicht. Obwohl sie keine Wahrheiten aussprechen will, sagt sie etwas, das wahrhafter nicht sein könnte: „Meine Überzeugung ist, Bilder haben eine Macht. Das ist mein Glaube an den Film.“ ENRICO IPPOLITO