Kaum mehr als Raunen

DEMONTAGE Auch wenn die Gäste aus Freiburg denkbar schwach waren: Der FC Oberneuland scheidet mit einem 0:1 aus dem DFB-Pokal. Viel mehr interessierte die Bremer Zuschauer: Was macht eigentlich Aílton?

„Der wirkt nur immer so dick“, erklärt ein Zuschauer, „weil er fast keinen Hals hat“

Wenn ein Viertligist einen Bundesligisten im DFB-Pokal empfängt, ist das in der Regel ein Festtag für den Gastgeber. Vor der Begegnung des FC Oberneuland gegen den SC Freiburg sprach so auch kaum jemand vom Gegner aus dem Breisgau. „Wir kommen ganz aus Huchting“, sagte ein älterer Herr im Bus. „Nur wegen Aílton.“ Trotz der Rückkehr des ehemaligen Werderaner Wunderstürmers wollten aber nur 2.300 Besucher erleben, ob der Kugelblitz noch zündet – oder als Kirmeskicker im Bremer Nobelvorort sein Gnadenbrot fristet.

Oberneulands Trainer Mike Barten nahm keine Rücksicht auf die Erwartungshaltungen und ließ seinen vom Sechstligisten KFC Uerdingen verpflichteten Neuzugang, der wegen einer Sprunggelenksverletzung noch Trainingsrückstand hatte, eine Stunde auf der Bank. Auf der Haupttribüne war man aber schon nach dem Warmlaufen beruhigt, dass der Brasilianer gut ins neue Trikot passte. „Der wirkt nur immer so dick“, erklärte ein Zuschauer, „weil er fast keinen Hals hat.“

Einen dicken Hals bekam mit zunehmender Spieldauer Freiburgs Trainer Robin Dutt. Nach einem frühen 1:0 durch Cissé in der 13. Minute verwalteten seine harmlosen Kicker die Führung nur noch – wäre das Oberneuländer Publikum in der Lage gewesen, so etwas wie Pokalatmosphäre zu entfachen, wäre eine Sensation möglich gewesen. In der Defensive standen die Gastgeber gut. Und vorne, das wusste man ja, da kommt noch einer.

In der 60. Minute zeigte sich dann für ein paar Minuten die ganze Magie des Fußballs: Der Stadionsprecher kündigte die Einwechslung von Aílton Gonçalves da Silva an, und die kollektive Erinnerung an weit zurückliegende Sternstunden produzierte eine euphorische Stimmung, in der alles möglich zu sein schien. Kam der Ball unter einem Raunen des Publikums tatsächlich mal bis zu Aílton, fing der Stürmer damit allerdings wenig an – und die bittere Wahrheit trat hervor: Hier demontiert sich eine Legende selbst.

Zumindest für die Presse gab es den alten Toni dann doch noch als Zugabe. Literweise wurden kühle Getränke aus dem VIP-Raum in die Kabine geschafft, wo Aílton die Dopingprobe abgeben sollte, für die er ausgelost worden war. Nach einer Stunde wurde Vollzug gemeldet. „Die hatten nur Wasser und Apfelschorle, kein Bier“, erklärte Aílton die Verzögerung. „Pipi lang.“ RLO