B-NOTE
: Bis zum Sieg und nicht weiter

WAHLPATRIOTISMUS Nur bei den Winterspielen bricht die Freude über deutsche Goldmedaillen durch. Ein Erklärungsversuch

Für einen Moment übermannt mich die Freude über Maria Höfl-Rieschs Gold in der Kombination. Ich habe den Atem angehalten bei ihren Ritt durch die Slalomstangen und gejubelt, als auch die letzte Konkurrentin an ihrer Zeit scheiterte. Doch schon im nächsten Augenblick ist die gefühlte Verbundenheit mit der deutschen Sportlerin wieder vorbei. Ich denke an die Siegerhymne und an deutsch-triefende Bild-Schlagzeilen. Dann wünsche ich mir, dass doch Julia Mancuso gewonnen hätte.

Die Spiele sind nicht einfach für mich: Auf Partys tanze ich zu Slimes Hymne „Deutschland muss sterben“, bei Fußballturnieren fiebere ich mit Schweden, und den Deutschlandtag der Jungen Union halte ich für nationalistisch. Doch den deutschen Sportlern in Sotschi gehören meine Sympathien, jedenfalls so lange, bis sie gewonnen haben.

Ob der DOSB seinen Vierjahresplan erfüllt und im Medaillenspiegel von oben herab auf den Rest der Welt herabschaut, ist mir egal. Doch dem Rodler Felix Loch wünsche ich nicht, dass der Schlitten ohne ihn ins Ziel rutscht. Stattdessen fühle ich mich auf abstruse Art beteiligt.

Ohne Emotionen hat ein sportlicher Wettkampf für mich keinen Wert. Also suche ich mir meine Favoriten. Die deutschen Athleten sind mir durch zahlreiche TV-Übertragungen nahe; viele von ihnen begleiten meine Sonntagvormittage seit Ewigkeiten. Ihre Erfolge haben nicht das Potenzial, die Nation zu einem neuen Selbstbewusstsein zu führen. Also fiebere ich mit ihnen, jedenfalls so lange, bis sie im Moment ihres Erfolges die Deuschlandfahne schwenken. ERIK PETER