Wenn Gruppen nuckeln …

Der Drogenkrieg hat sich auf Balkone und in Jugendzimmer verlagert, und Fachleute liefern Studien zur Frage: Sollen wir unseren Kindern die Wasserpfeife nun verbieten oder erlauben?

VON BARBARA DRIBBUSCH

Eigentlich ist es doch eine gute Nachricht: Vorbei die Zeiten, in denen sich viele Eltern über die Gefährlichkeit von Haschisch, Kokain oder Ecstasy Gedanken machen mussten, wenn sie sich über die Freizeitgestaltung ihrer Kinder im Teenageralter sorgten. Heute gibt es eine Alternative, die Eltern mit pubertierenden Kindern ein harmloseres Reizthema beschert. Harmlos? Von wegen! Oder doch? Der Kult um die Wasserpfeife löst neue Erziehungsdebatten aus.

Dabei ist der Glaubenskrieg über die „Gefährlichkeit“ der Wasserpfeifen noch lange nicht entschieden. Die wohl meistzitierten Daten zum Thema stammen vom Berliner Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR), das einige bereits existierende Studien durcharbeitete und in dieser Woche ein aktualisiertes Papier dazu ins Internet stellte. (www.bfr.bund.de/cm/216/gesundheits_und_suchtgefahren_durch_wasserpfeifen.pdf).

Das Institut kommt darin zu dem Ergebnis, dass der Gebrauch einer Shisha „kaum weniger schädlich ist als der Konsum von Zigaretten. Auch die Suchtgefahr ist vergleichbar.“

Doch wer sich in der Metastudie die Tabellen über Nikotin- und Teerkonzentrationen anschaut, muss die Angelegenheit differenziert betrachten. So enthält beispielsweise der Rauch einer filterlosen Zigarette laut Tabelle bis zu 3 Milligramm Nikotin. Eine Wasserpfeife mit verhältnismäßig großem Tabakkopf für 10 Gramm Tabak stößt hingegen 2,25 Milligramm Nikotin aus. Eine mittelstarke Filterzigarette hat rund 1 Milligramm Nikotin im Rauch. Eine Wasserpfeife entspricht also im Schnitt von der Nikotinmenge her dem Rauch zweier mittelstarker Zigaretten – und genau diese Menge wird teilweise auch in Shishabars auf den Tabak- und Getränkekarten angegeben.

Mit der Teerkonzentration sieht es anders aus: Danach ist im Rauch einer Shisha fast 10-mal so viel Teer enthalten wie in einer filterlosen Zigarette. „Auffällig sind die – im Vergleich zur filterlosen Zigarette – hohen Werte für Teer- und Kohlenmonoxid“, schreiben die BfR-Forscher. Doch diese Vergleiche sind mit Vorsicht zu genießen: Der Wassergehalt des Shishateers sei „wesentlich höher“ als in Zigaretten, entsprechend weniger hoch ist die Schadstoffkonzentration.

Direkte Vergleiche der Wasserpfeife mit Zigaretten sind ohnehin so eine Sache: So braucht man 100 Züge, um eine Wasserpfeife mit rund 2 Milligramm Nikotin aufzurauchen, aber nur 16 Züge, um zwei Zigaretten mit der gleichen Nikotinmenge zu inhalieren. Der Nikotingehalt pro Zug wäre damit in einer Zigarette 6-mal so hoch wie in einem Zug aus der Shisha. Und diese Vergleiche stimmen auch nicht mehr, wenn Wasserpfeifenraucher gar nicht auf Lunge ziehen, sondern mitunter die Shisha mit Apfel- oder Karamellgeschmack nur paffen, was bei Zigaretten schwer verpönt ist.

Die „Unterschiede im Rauchvorgang“ werden daher in den entsprechenden Internetforen von den Fans der Wasserpfeife immer wieder beschworen: „Shisha rauchen ist einfach nur chillig“, heißt es bei www.postpla.net. Während man für eine Zigarette nur 5 Minuten braucht, saugen Gruppen mitunter bis zu 50 Minuten an einer Wasserpfeife. Durch das Gruppennuckeln können dabei allerdings Viren übertragen werden. Das BfR empfiehlt „auf jeden Fall die Verwendung von Einmalmundstücken“.

Vor anderthalb Jahren startete das Institut seine Recherche zu den Gesundheitsgefahren „aufgrund einer Verbraucheranfrage“, erzählt Thomas Schulz, Mitarbeiter beim BfR. Heute habe das Institut „sehr viel Kommunikation mit Wasserpfeifennutzern“. Inzwischen wird auch im BfR selbst versuchsweise geraucht.

Was tun also mit dem halbwüchsigen Nachwuchs, dem man ja auch das Zigarettenrauchen nicht erlauben würde? Da wäre die Variante Totalverbot: „Eine Einstiegsdroge“ für den Zigarettenkonsum stelle das Rauchen einer Wasserpfeife dar, meint beispielsweise ein Berliner Kinderarzt, der seinem Nachwuchs kurzerhand die Shisha verboten hat. Variante zwei ist die Halbtoleranz: „Einmal im Monat und zu besonderen Anlässen ist es okay“, sagt die Journalistin, die aber zu Hause keine Wasserpfeife bei ihrer halbwüchsigen Tochter sehen will.

Variante drei ist häusliche Toleranz: „Verbieten ist doch Käse“, meint die Werbegrafikerin, die ihren 14 und 15 Jahre alten Söhnen eine Shisha schenkte und gestattet, ab und zu daheim auf dem Balkon oder im Urlaub zu schmauchen, „aber bitte nicht auf Lunge!“ Zumal jede Ächtung die einschlägige Subkultur nur stärkt. Das war beim Haschisch schon so. Und ist bei der Shisha nicht anders.