„Ausstieg durch Widerstand“

DOKU Ein Film zeigt Szenen der Anti-AKW-Bewegung seit den 1970ern – inklusive der Militanz

■ 71, Solar-Konstrukteur aus Hamburg. Den Film hat er mit Antje Kröger-Voss, Bettina Beermann und Friedemann Ohms gedreht. Alle vier waren aktiv im Brokdorf-Widerstand.

taz: Herr Kröger, ist es schon Zeit für einen nostalgischen Rückblick auf die Anti-AKW-Bewegung?

Dieter Kröger: Das hat nichts Nostalgisches. Sie ist eine der größten soziale Bewegungen in der BRD gewesen. Wir haben Material aus über 800 Filmen gesammelt – von Graswurzel-TV, von der Bürgerinitiative Lüchow-Dannenberg oder aus Staatsarchiven. Wir wollten die ganze Bandbreite des Widerstands zeigen.

Wozu ein weiterer Film?

In den meisten Dokumentarfilmen fallen die Sabotage und militante Aktionen unter den Tisch. Wohl, weil die Filmemacher zu sehr ins System integriert sind.

Ihr Film heißt „Unser gemeinsamer Widerstand“ – mindestens Pazifisten und Militante waren sich oft nicht einig …

Das ist klar und die Spaltungen zeigt der Film auch. Aber unterm Strich hat alles zum Ergebnis geführt.

Wie hat sich die Bewegung seit 1970 geändert?

Früher war sie unheimlich stark: Nach Brokdorf haben sich im Winter, am 28. Februar 1981, noch 200.000 Menschen auf den Weg gemacht. Das hat sich abgeschwächt durch die Grünen.

Mittlerweile ist der Atomausstieg beschlossen …

Der ist quatsch, das ist die große Blendung. Die Regierungsausstiegs-Beschlüsse sind nur eine Absicherung der Restlaufzeiten für die Atomindustrie. Der Atomausstieg ist durch den Widerstand entstanden – klammheimlich, aber definitiv.

Inwiefern?

Nach Brokdorf hat der Staat kein einziges AKW mehr geplant. Ursprünglich waren allein an der Elbe 10 AKWs vorgesehen. Der Widerstand setzte sich auch besonders durch Sabotage fort. Allein über 100 Strommasten sind durch Abschrauben, Absägen und Sprengungen in Norddeutschland sabotiert worden.

Klingt nach Terrorismus.

Der Terrorismus kommt von der Atom-Industrie, nicht von den Leuten, die Widerstand leisten. Die Atompolitik ist ein absolutes Verbrechen. Viele tausend Menschen sind dadurch gestorben: in Tschernobyl, in Fukushima. Auch die Krebsraten um Brokdorf herum sind ein Beweis.

Ist die Akzeptanz für militante Aktionen eine Besonderheit der Anti-AKW-Bewegung?

Mit Sicherheit. Sie werden keinen mehr finden, der das noch in Frage stellt.

Hat die Anti-AKW-Bewegung keine Fehler gemacht?

Jede Bewegung macht Fehler. Falsch war es, ins Parlament zu gehen, weil man glaubte, mehr zu erreichen. Das genau ist ein Irrtum gewesen.  INTERVIEW: JPB

19 Uhr, Paradox, Bernhardstr. 12