Alle müssen kleinere Brötchen backen

AZUBIS Bewerber und freie Stellen kommen nicht zusammen, Firmen beklagen fehlende Reife, Jugendliche sind überfordert. Drei Beispiele

VON KRISTINA PEZZEI

Am Thema Ausbildung scheiden sich die Geister. Dumm, unpünktlich und schlechte Manieren, schimpfen Unternehmen über Schulabgänger, die bei ihnen in die Lehre gehen sollen. Überzogene Erwartungen bei schlechten Arbeitsbedingungen, kritisieren Gewerkschaften. Die Wahrheit liegt wohl irgendwo dazwischen. Klar ist nur: Das Problem wird sich verschärfen.

Weil die Geburtenrate sinkt, sinkt auch die Zahl der Schulabgänger, und es bewerben sich weniger junge Menschen auf offene Stellen – bei gleichbleibendem oder gar steigendem Angebot: Einige Unternehmen stocken nach der Wirtschaftskrise ihre Ausbildungsplätze auf. Knapp 21.000 Jugendliche haben dieses Jahr in Berlin die Schule verlassen, 2.400 weniger als im Vorjahr. Besonders dramatisch ist die Lage im Osten Deutschlands, aus dem dazu noch massenhaft junge Menschen abwandern.

Theoretisch müssten Firmen also Bewerber mit schlechten Noten oder geringer Motivation akzeptieren. Doch zugleich steigen die Anforderungen in vielen Berufen – aus einem Autoschrauber ist ein hoch spezialisierter Kfz-Mechatroniker geworden, der Bäckerlehrling muss rechnen und Maschinen bedienen können, der Tischler Schneidevorgänge am Computer programmieren. Wer nicht fit ist, tut sich in Praxis und Berufsschule schwer.

Wie sich die Situation entwickeln wird, ist schwer vorherzusehen. Findige Unternehmer werben derweil in Polen um Auszubildende, schauen sich in anderen Bundesländern um – oder beweisen, dass der Bestand entgegen allen Vorurteilen Potenzial bietet: Kfz-Obermeister Thomas Lundt etwa ließ sich von der Arbeitsagentur Neukölln den Bewerber mit dem schlechtesten Zeugnis geben. Nach zwei Jahren bestand der Jugendliche die Gesellenprüfung auf Anhieb.