Vertrauen in die Wahlen sinkt

In Kongos Hauptstadt Kinshasa wurden Wahlzettel verbrannt, die Wahlkommission macht eigene Mitarbeiter verantwortlich. Die Addition der Stimmen läuft chaotisch

KINSHASA taz ■ Die Kinder haben ihren Spaß. Fröhlich werfen sie Ballen weißer Stimmzettel durch die dunkle Halle, in der Wahlpapiere jeder Art den Boden übersäen wie nach dem Durchzug von Plünderern. „Wir haben Hunger“, sagen sie und zeigen auf ihre Bäuche, wenn man sie fragt was sie da machen. „Sie helfen uns, während wir auf die UNO warten“, erklärt draußen ein Mitarbeiter der Wahlkommission.

Mehrere Tage, nachdem hier im Armenviertel Ndjili im Südosten von Kongos Hauptstadt Kinshasa offenbar Wahlmaterialien in Flammen aufgingen, sind die verbliebenen Stimmzettel und Ergebnisprotokolle der Wahlen vom vergangenen Sonntag noch immer nicht abgeholt worden.

Wahlbeobachter hatten am Donnerstag Reste verbrannten Wahlmaterials im sandigen Hof des Verwaltungsgebäudes gefunden, wo alle Wahlzettel des 500.000 Einwohner zählenden Ndjili zwecks Weiterleitung in Kinshasas zentrale Sammelstelle gesammelt werden.

„Niemand hat hier irgendwas verbrannt“, behauptet Ndjilis Logistikleiter Baron Mwangi, während um ihn herum verkohlte Papierreste treiben. Sein Kollege erzählt, was am vergangenen Dienstagabend vorgefallen sein soll: „Die Bevölkerung kam und wollte die Halle leer räumen. Wir haben das meiste gerettet, aber die wütenden Leute haben den Rest angezündet.“ Ein lokaler Oppositionsvertreter widerspricht: Die Wahlkommission selbst habe Stimmzettel vernichtet. Ndjili gilt als Oppositionshochburg.

Kongos Wahlkommissionschef Apollinaire Malu-Malu macht seine eigenen Mitarbeiter für den „ernsten Zwischenfall“ verantwortlich. Irgendwer in Ndjili habe regelwidrig den Befehl zum Anzünden gegeben, sagt er auf einer Pressekonferenz, auf der er ein angekokeltes Ergebnisprotokoll in die Kameras der Fotografen hält.

Das Vertrauen der Kongolesen in ihren Wahlprozess dürfte jetzt weiter sinken. Nachdem sie mit exemplarischer Disziplin am Sonntag an die Urnen strömten und die lokale Auszählung in der Folgenacht ebenfalls glatt lief, sehen sie jetzt entgeistert an, wie die Wahlkommission die bisherige Ordnung in Chaos verwandelt. Denn vor der Veröffentlichung werden die Ergebnisse von Kongos 52.000 Wahllokalen in 64 Sammelzentren gebracht, um zusammengerechnet und auf Fehler überprüft zu werden. Aber das dauert viel länger als geplant und hat die Stimmenauswertung im Kongo an den Rand des Zusammenbruchs gebracht.

In der zentralen Sammelstelle Kinshasas, wo sich Stimmzettel meterhoch türmten, wurde nun immerhin ein Abwassergraben zum Archiv erklärt und die Materialien nach Wahlkreisen geordnet. Aber Wahlbeobachter fragen sich inzwischen, ob die Wahlen nicht zum Teil wiederholt werden müssen.

„Es läuft gut, die Computereingabe der Ergebnisse hat begonnen“, behauptet Wahlkommissionschef Malu-Malu dennoch gegenüber der taz. Er entschuldigt das Chaos: „Wir sind überfordert. Wir arbeiten Tag und Nacht. Und wir haben für ganz Kinshasa mit seinen 8.500 Wahlbüros nur 70 Kleinlaster, dazu kommen 24 von der UNO.“ Landesweit seien aber schon „über 50 Prozent“ der Wahlzettel in die Sammelstellen gelangt.

Offiziell sollen Kongos Wahlergebnisse am 20. August vorliegen. Die Veröffentlichung von Teilergebnissen vorher hat die Wahlkommission am Dienstag verboten. So regiert Mundpropaganda. Präsident Joseph Kabila und sein wichtigster Gegenkandidat, Exrebellenchef Jean-Pierre Bemba, streuen beide, sie hätten die absolute Mehrheit. Ein Handzettel in Kinshasa gibt Bemba sogar 436 Prozent – Ergebnis des einfachen Addierens von Prozentzahlen aus Kongos elf Provinzen.

Realistische Schätzungen gehen von rund 40 Prozent für Kabila und 30 Prozent für Bemba aus, mit Kabila im Osten Kongos in Führung und Bemba im Westen. Sollte es nicht zur allseits erwarteten Stichwahl am 29. Oktober kommen, wird es massive Manipulationsvorwürfe gegen die Wahlkommission geben.

DOMINIC JOHNSON