„Der Druck macht krank“

INTEGRATION Eine Diskussion erörtert den Zusammenhang von Migration und Krankheit

■ ist pädagogische Mitarbeiterin im Verein Frauengesundheit in Bremen-Tenever

taz: Macht Migration Familien krank, Frau Flerlage?

Jutta Flerlage: Nein.

Der Titel der Veranstaltung legt den Gedanken nahe.

Migration kann nicht krank machen. Krankmachend sind Armut, Arbeitslosigkeit, fehlende Bildung, Diskriminierungserfahrungen oder mangelnde Deutschkenntnisse.

Was sagen sie zu Studien, die sagen, Migranten seien überdurchschnittlich empfindlich für Infektionen?

Ich würde davon ausgehen, dass das eher den Belastungen geschuldet ist, denen Migranten oft ausgesetzt sind. Es gibt ja auch seit langem Studien, die belegen, dass eine lange Arbeitslosigkeit krankheitsanfälliger macht.

Welche Beschwerden haben die Frauen, die zu ihnen kommen?

Die Mehrzahl dieser Menschen ist arbeitslos, wir haben viele geduldete Asylbewerberinnen, manche Frauen haben bis zu zehn Kinder. Die Frauen kommen häufig mit Kopf-, Rücken- und Nackenschmerzen, Verspannungen – und sind zuhause unheimlichen Belastungen in Haushalt und Familie ausgesetzt, haben aber nur Hartz IV zum Leben, AsylbewerberInnen noch weniger. Diese Sorgen belasten sie. Sie leiden unter den Verhältnissen. Und wenn sie Arbeit finden, aber für eine volle Stelle nur 800 Euro netto nach Hause bringen, können sie ihre sieben Kinder auch nicht ernähren. Das ist Druck, der krank macht. Aber kausal kann man das schlecht nachweisen. Gesundheit ist nicht nur die Abwesenheit von Krankheit, es geht auch um soziale Netze.

Was kann man für diese Menschen tun?

Wir brauchen Angebote für sie, an denen sie auch teilnehmen können. Wir brauchen Frauen, die andere mitziehen, etwa an Fahrradkursen teilzunehmen. Und viele wissen auch wenig über Gesundheitsversorgung oder Körperfunktionen. Int: mnz

15 Uhr, Europa Punkt Bremen