Athletisches Model und Modellathletin

Siebenkämpferin Carolina Klüft ist der größte Star der schwedischen Leichtathletik – der einzige ist sie nicht. Die Europameisterschaft in Göteborg könnte vor allem wegen der Springer ein Festival in Blau-Gelb werden

GÖTEBORG taz ■ In Begeisterung versetzen die Bilder seiner Tochter Johnny Klüft nicht. Mit gerunzelten Brauen blickt er auf die riesigen Leinwände und sagt diplomatisch: „Carolina mag es, diese Aufnahmen zu machen.“ Aber seine Carolina, diese fröhliche, extrovertierte Athletin, kann Johnny Klüft in den Bildern des Promifotografen Jason Bell nicht wirklich entdecken. Es sind sehr dunkle Bilder einer ernst dreinblickenden Siebenkampf-Olympiasiegerin. Aufgenommen in ihrer schwedischen Heimatstadt Vaxjo, dort, wo sie ihre rund zwölf Trainingseinheiten pro Woche absolviert. Dadurch immerhin sei das schon mehr die wahre Carolina „als auf anderen Bildern“, sagt ihr Vater.

Klüft hat Spaß an der Arbeit mit dem Fotografen gefunden, und wie schon vor einem Jahr bei der Leichtathletik-WM in Helsinki nutzte sie auch im Vorfeld der heute in Göteborg beginnenden Europameisterschaft den internationalen Medienrummel, um eine Bilderserie zu präsentieren. Als Model will sich die Mehrkämpferin jedoch nicht verstanden wissen. „In meinem Herzen bin ich Athletin“, sagt sie, „das zeigen diese Bilder.“

In ihrer Heimat ist Klüft noch viel mehr. Sie ist der Superstar der schwedischen Leichtathletik. Inhaberin aller großen Titel, seit 2001 ungeschlagen, gut aussehend, offen, lustig. Deshalb lastet auf ihr ein besonderer Druck, wenn sie am Montag und Dienstag im Ullevi-Stadion die Titelverteidigung in Angriff nimmt. Zum ersten Mal geht es für sie vor heimischem Publikum um einen großen Titel. „Carolina ist sehr nervös“, sagt ihr Vater. „Ich hoffe, dass dieser Druck mich zusätzlich antreiben wird“, sagt die Sportlerin selbst.

Ihre einzige ernsthafte Konkurrentin wird wohl die Französin Eunice Barber sein, die in diesem Jahr noch keinen Siebenkampf absolviert hat. Klüft führt die europäische Bestenliste mit 6.719 Punkten an und strebt eine Verbesserung ihrer Bestleistung von 7.001 Punkten aus dem Jahr 2003 an. „Carolina ist mental ein Phänomen“, sagt Johnny Klüft. Immer motiviert, immer gut drauf. Nur ihr Körper hat in diesem Jahr begonnen, sich mit so manchem Zipperlein zu Wort zu melden. „Carolina ist zwar erst 23, ihr Körper aber ist viel älter“, sagt ihr Vater. Das ist der Tribut, den Klüft für jahrelanges, hartes Training zahlen muss. Auch deshalb kommen bei ihr wohl erste Gedanken an das Ende ihrer sportlichen Laufbahn auf. „Ich freue mich auf ein Leben nach dem Sport“, sagt sie. Aber noch ist es nicht so weit. Noch muss sie weiter durchhalten und bei der EM dem Druck standhalten.

Ein bisschen Entlastung verschafft ihr die Tatsache, dass sie nicht die einzige schwedische Medaillenhoffnung ist. Im Gegenteil. Diese EM kann zu einem blau-gelben Freudenfest werden. Weltmeisterin Kajsa Bergqvist und Olympiasieger Stefan Holm im Hochsprung, Dreisprung-Olympiasieger Christian Olsson, Hürdensprinterin Susanna Kallur, Stabhochspringer Alhaji Jeng – sie alle können das Land mit seinen neun Millionen Einwohnern zum Jubeln bringen. Die Gold-Aussichten des deutschen Teams sind dagegen vergleichsweise düster. Weit-, Hoch- und Dreisprung – das sind die Disziplinen, in denen Europäer gute Chancen haben, mit den sprintstarken Amerikanern und den afrikanischen Laufwundern mitzuhalten. Hier ist technische Perfektion gefragt. Doch die Deutschen haben irgendwie den Anschluss verpasst, sie zeigen ihr technisches Verständnis lieber in den weit weniger öffentlichkeitswirksamen Wurfdisziplinen. SUSANNE ROHLFING