Tony Blair bekommt Konkurrenz

Neue britische Antikriegspartei will bei den nächsten Wahlen gegen Labour antreten

DUBLIN taz ■ Tony Blair bekommt immer mehr Probleme. Am Freitag, als der britische Premier den Urlaub verschob, um an der UN-Resolution zum israelisch-libanesischen Krieg mitzuarbeiten, erschien eine neue Partei auf der Bildfläche, die Labour viel Ärger machen könnte: „Spectre“ ist das Sprachrohr für 115 Familien, die ihre Söhne im Irakkrieg verloren haben.

Die Partei will bei den nächsten Wahlen in 70 Wahlkreisen antreten, sowie bei allen Nachwahlen, die bis dahin wegen Rücktritt oder Tod eines Abgeordneten nötig werden. Spectre hat es vor allem auf die Sitze der Minister abgesehen, die nicht gegen den Krieg gestimmt haben. Offiziell wird die Partei im nächsten Monat in Manchester vorgestellt, wenn die Labour Party dort ihren Parteitag abhält.

Die Hauptinitiatoren von Spectre sind Reg Keys, der bei den Parlamentswahlen 2005 gegen Blair kandidierte, sowie Rose Gentle, die gegen den für die Armee zuständigen Staatssekretär Adam Ingram antrat. Keys und Gentle haben ihre Söhne vor drei Jahren im Irak verloren: Der 19-jährige Gordon Gentle kam in Basra durch einen Bombenanschlag um, Thomas Keys starb mit fünf Militärpolizisten in einem Polizeirevier in al-Madschar al-Kabir.

Sein Vater erfuhr später, dass die sechs schlecht ausgerüstet waren: Mit einem Satellitentelefon hätten sie Hilfe holen können. „Thomas hatte 30 Kugeln im Körper“, sagte Reg Keys. „Erst die letzten beiden töteten ihn. Die Behörden kennen die Täter. Sie haben die Adresse des Mannes, der Thomas die Uhr weggenommen hat, die ich ihm zu seinem 18. Geburtstag geschenkt habe. Aber sie unternehmen nichts.“ Keys und Gentle gehören der Organisation Military Families Against The War (www.mfaw.org. uk) an, die den sofortigen Rückzug britischer Truppen aus dem Irak verlangt, weil „der Krieg auf Lügen basierte“, wie es auf der Internetseite heißt. Rose Gentle sagt, sie bekomme täglich mehr als 200 Mails von Soldaten oder ihren Angehörigen: „Die Bewegung wächst, mit unserer Partei schaffen wir einen Fokus für unsere Wut.“ Keys fügte hinzu: „Wir wurden belogen, ignoriert und beleidigt. Dafür sollen die Minister mit ihren Sitzen bezahlen.“

Vier der Familien erkämpften vorvergangene Woche das Recht, gerichtlich gegen die Entscheidung der Regierung vorzugehen, keine öffentliche Untersuchung des Irakkrieges einzuleiten. Falls sie bei der Verhandlung im November Erfolg haben, müssen sich Blair, sein damaliger Außenminister Jack Straw sowie der frühere Verteidigungsminister Geoff Hoon darauf gefasst machen, ihre Kriegsentscheidung vor Gericht zu rechtfertigen.

Tony Travers, Experte für Wahlen an der London School of Economics, sagte: „Die Menschen trauen den Politikern nicht. Wenn normale Bürger kandidieren, können sie eine Menge Wähler anziehen. Wenn es sich auch noch um Bürger handelt, die um ihre gefallenen Söhne trauern, kann sich das zu einer mächtigen Bewegung entwickeln.“ RALF SOTSCHECK