Massaker und Luftangriffe in Sri Lanka

Bei schweren Gefechten zwischen Regierungstruppen und tamilischen Rebellen werden dutzende Menschen getötet. 15 Wiederaufbauhelfer sollen hingerichtet worden sein. Norwegischer Vermittler verhindert bislang noch einen offenen Krieg

Der Disput um den Mavilaru-Stausee geht auf die 70er-Jahre zurück

VON RALF LEONHARD

Einen Massenexodus aus der sri-lankischen Stadt Muttur provozierten Ende letzter Woche heftige Gefechte zwischen Regierungstruppen und Einheiten der Tamilischen Befreiungsorganisation LTTE. Unter den zahlreichen Opfern waren auch mindestens 20 Muslime, die während der Vorbereitungen zur Flucht von einem Artilleriegeschoss getroffen wurden, und 15 Einheimische, die für die französische NGO „Action contre la Faim“ als Tsunami-Wiederaufbauhelfer arbeiteten. Die elf Männer und vier Frauen, deren Leichen in ihrem Büro gefunden wurden, sollen regelrecht hingerichtet worden sein. Für beide Bluttaten machen sich Regierungsarmee und LTTE gegenseitig verantwortlich. Das Motiv liegt im Dunkeln. Die Regierung hat allerdings eine unabhängige Untersuchung verhindert.

Muttur liegt wenige Kilometer südlich der wichtigen Hafenstadt Trincomalee im Nordosten Sri Lankas und in unmittelbarer Nähe des Mavilaru-Stausees, um dessen Kontrolle in den letzten zwei Wochen der Konflikt eskalierte. Tamilische Demonstranten waren am 20. Juli von der LTTE ermutigt worden, die Schleusen zu besetzen und damit die Wasserversorgung für die Reisfelder von rund 15.000 Bauern in umliegenden singhalesischen Dörfern zu sperren.

Die LTTE unterstrich damit ihre Forderung nach Trinkwasserversorgung für tamilische Dörfer im Einzugsbereich des Stausees. Außerdem bat sie die skandinavische Monitoring Mission (SLMM) um Vermittlung. Die SLMM überwacht den seit Februar 2002 gültigen Waffenstillstand, der aber seit vergangenem November ständig verletzt wird.

Norwegens Sonderbotschafter Jon Hanssen Bauer konnte nach mehreren vergeblichen Versuchen beide Seiten zum Einlenken bewegen. Die Regierung versprach, die Bewässerung der tamilischen Gebiete ernsthaft zu erwägen und die LTTE erklärte sich bereit, die Schleusen bedingungslos zu öffnen. Gerade als der Vermittler die Botschaft der Regierung an die Besetzer überbringen wollte, nahm die Luftwaffe die Schleusenbesetzer unter Beschuss.

Gleichzeitig wurden LTTE-Gebiete bei Batticaloa, rund 100 Kilometer südlich von Trincomalee, und der Hafen von Muluaitivu im Rebellengebiet, nördlich der Konfliktzone, mit Luftangriffen überzogen. In Mulaitivu liegt die Flotte der LTTE, die „Sea Tigers“. Armeesprecher Keheliya Rambukwela sprach von einer „humanitären Operation“, die verhindern sollte, dass die LTTE Verstärkung schicken konnte.

Der Disput um den Mavilaru-Stausee geht auf die 70er-Jahre zurück. Damals siedelte die Regierung tausende singhalesische Bauern im Tamilengebiet rund um Trincomalee an. Trincomalee ist der wichtigste Tiefseehafen der gesamten Region und spielt bei den Autonomiebestrebungen der Tamilen eine zentrale Rolle. Die LTTE sieht es als Hauptstadt eines zukünftigen Tamilenstaates oder einer weitgehend autonomen Region. Die Stadt wird von Tamilen, Singhalesen und Muslimen bewohnt.

Für die Bauern, die das Bevölkerungsverhältnis zugunsten der Singhalesen verändern sollten, wurde der Stausee angelegt. Tamilische Nachbargemeinden wurden vom Bewässerungsprojekt ausgeschlossen. Auch als die Asiatische Entwicklungsbank nach dem Waffenstillstand ein Trinkwasserprojekt entwickeln wollte, konnten die Tamilen erst durch heftige Proteste ihre Teilnahme erzwingen. Die Regierung hat das Projekt in Angriff genommen, aber auf die singhalesische Klientel beschränkt.

Die Besetzungsaktion hat also eine lange Vorgeschichte. Warum die Armee die Besetzung nicht durch eine Kommandoaktion zu beenden suchte, sondern die Luftwaffe schickte, wird von Beobachtern mit politischen Überlegungen erklärt. Präsident Mahinda Rajapakse wurde nicht zuletzt von den Anhängern der radikalen singhalesisch-nationalistischen Parteien, der marxistischen JVP und der Mönchspartei JHU, gewählt. Diese verlangen eine kompromisslose Haltung gegenüber der LTTE.

Den Bombardements auf Rebellengebiet fallen zwar mehr Zivilisten als LTTE-Kader zum Opfer, doch sie beeindrucken die Nationalisten. Mittlerweile konnte die LTTE allerdings den Zugang zu den Schleusen verminen und den Bodentruppen den Zugang beträchtlich erschweren.

Das Waffenstillstandsabkommen existiert nur noch, weil es noch nicht offiziell aufgekündigt wurde und die norwegischen Vermittler ihre Mission fortsetzen. Die skandinavische Sri Lanka Monitoring Mission wird bleiben, ab 1. September aber nur noch aus Norwegern und Isländern bestehen. Die Beobachter aus Dänemark, Schweden und Finnland werden abgezogen, weil die LTTE keine EU-Vertreter mehr akzeptiert. Die EU hat die Tamil Tigers auf die Liste der terroristischen Organisationen gesetzt, deren Repräsentanten nicht mehr empfangen werden.