UND ÜBERALL DIE KULTUR
: Silber und Glitzer

An der nächsten Ampel steht der Sänger einer Indieband und telefoniert

Das Fahrrad des Sohns hat einen Platten. Vor dem Netto steht einer der besten Verleger dieses Landes und unterhält sich. Würde er auf die andere Straßenseite gehen, wechselte er den Bezirk, macht er also nicht. Der Sohn beschwert sich bereits ein drittes Mal, dass er nicht fahren könne. Ich sage, dass ich ihn verstehen würde, wir nun aber laufen müssten.

Wir warten an einer Ampel, neben uns zwei gleichaltrige Frauen. „Was soll ich in Clubs? Ich hab Kinder!“, sagt die eine. „Ohne Kinder kann man besser tanzen“, sagt die andere. „Und wer schläft dann?“, fragt die eine. „Macht dein Mann!“, sagt die andere.

Die Ampel schaltet auf Grün. An der nächsten Ampel steht der Sänger einer deutschen Indieband und telefoniert. Er telefoniert immer, wenn ich ihn sehe. Ich glaube, er legt erst kurz vor seinen Auftritten auf. Kurz darauf kommt uns ein Schriftsteller entgegengerannt, zwei Bierflaschen in der einen Hand, in der anderen ein Exemplar seines neuen Romans. Er ruft, er habe keine Zeit, und vorbei ist er.

Der Sohn beschwert sich ein weiteres Mal, dass er nicht fahren könne. Dann haben wir den Fahrradladen erreicht. Sie flicken den Reifen innerhalb von fünf Minuten. Daheim zu Hause hätte ich nur wenige Minuten und hundert Flüche länger gebraucht.

Wir steigen auf die Räder, holen die Tochter vom Kindergarten ab und fahren nach Hause. „Gut“, sage ich, „was wollt ihr essen, heute freie Wahl!“ Und wir rufen laut und zu dritt: „Milchreis!“ Verdammter Milchreis, denke ich. Die beiden sitzen am Küchentisch und malen. „Was sind deine Lieblingsfarben?“, fragt der Sohn. Die Tochter überlegt nicht lange. „Blau, Schwarz, Grün, Gelb!“ Sie sieht hinüber zu der Orchidee, die auf dem Kühlschrank steht. „Und Lila und Pink!“ „Und welche Farbe“, frage ich, „findest du am allerbesten?“ Zwei dünne Falten bilden sich auf ihrer Stirn, dann sagt sie: „Silber und Glitzer!“ BJÖRN KUHLIGK