: Dicke Bretter zum Bohren hinterlassen
LAMENTO ÜBER SCHMITZ
Es verwundert schon, dass selbst in der Woche eins nach dem Rücktritt des Kulturstaatssekretärs weiter Hymnen auf das Wirken von André Schmitz gesungen werden. Von der Bagatellisierung seiner Steuerhinterziehung ganz abgesehen. Gut, nachdem die Sache zur Affäre wurde, trat Schmitz zurück, die Opposition schäumte (was sonst?), und dieser Tage wurde er noch ordentlich vom Regierenden entlassen. Seither ist Schmitz draußen, Übergangsgeld erhält er nicht.
Aber so recht kommt nicht das Gefühl auf, dass hier ein großes Maß an Unkultur des einstigen Staatssekretärs aufgearbeitet werden müsste. Im Gegenteil hat man eher den Eindruck: Statt Schimpf und Schande wird Schmitz Lob und Ehre zuteil, wird der Rauswurf zur Heiligsprechung. Was Besseres als der Skandal konnte ihm gar nicht passieren. Die neue Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) etwa trauert, „Schmitz hat dieses Amt hervorragend ausgefüllt“. Niemals hätten der Bund und das Land besser zusammengearbeitet. Die Berliner Kulturszene und der Deutsche Kulturrat sprechen von Respekt und Anerkennung für Schmitz und vom Verlust für die kulturelle Bühne der Stadt. Und natürlich steht der Regierender Bürgermeister und Kultursenator Klaus Wowereit (SPD) nach wie vor zu seinem zurückgetretenen Staatssekretär. Persönliche Freundschaft, Loyalität im Amt, die langjährigen Verdienste von Schmitz sind Grund genug, diesen zu verteidigen. Für Wowereit haben Schmitz’ Missetaten „außerdienstliche“ Relevanz. Alles okay?
Es wird niemand so gemein sein, die Erfolge und Sympathien von André Schmitz jetzt zu exekutieren. Aber auf den neuen Kulturstaatssekretär wartet jede Menge Arbeit, die liegen geblieben ist. Sogar dicke Bretter müssen gebohrt werden. Man hat Schmitz immer vorgehalten, keine Konzepte, keinen Plan für die Kultur der Zukunft in der Tasche zu haben, sondern zögerlich zu agieren. Jetzt, wo Sasha Waltz über einen Ortswechsel nachdenkt, die freie Szene weiter verhungert oder Intendanten wie Armin Petras schon hingeworfen haben, fällt einem das wieder ein. Wo ist der neue Hauptstadtkulturvertrag? Es muss verhandelt werden, wohin es mit der Akademie der Künste oder mit dem Filmhaus geht. Sind Berlins „Grands Projets“, gemeint sind die ZLB, das Humboldtforum, nicht weiter hoch umstritten? Die Staatsoper bleibt bislang ein Bauskandal, die Nachnutzung des Schillertheaters ist offen. Und. Und. Und. Warum das so ist – darüber sollte man nicht hinwegsehen. ROLF LAUTENSCHLÄGER