Kraftvolle Wechselwirkung

KULTURWOCHE Eine Woche lang präsentieren blinde, sehbehinderte und sehende KünstlerInnen bei der Kulturwoche der Blindenstiftung Theater, Musik und Kleinkunst

„Blickfang“ setzt sich mit einer Welt auseinander, in der alles zuerst aufs Auge zielt

VON ROBERT MATTHIES

Viel zu sehen gibt es in den unendlichen Weiten des Alls bekanntlich nicht: ab und an kann man ein wenig Licht oder elektromagnetische Strahlung beobachten – dazwischen herrscht die Dunkle Materie und die Dunkle Energie. Nimmt man jedenfalls an. Denn bemerkbar macht sich deren bislang nicht beweisbare Existenz lediglich durch die gravitative Wechselwirkung mit der sichtbaren Materie – von der man bis dahin glaubte, sie sei die einzig existierende. Auf die Sinne kann sich dabei jedenfalls niemand mehr verlassen: Hier hilft nur noch höhere Mathematik.

Ganz anders sieht es im „galaktischen Musical“ „AlienRock“ aus, einem Zusammenspiel von sehbehinderten, blinden und sehenden KünstlerInnen, das nun im Rahmen der Kulturwoche der Hamburger Blindenstiftung von Dienstag bis Samstag in der Fabrik zu hören ist. Die friedlichen Bewohner des Planeten „AlienRock“ entdecken eines Tages einen Satelliten, der „fetzige Töne“ ausstößt. Der, wie sich herausstellt, von der Erde stammt. Dort kämpft unterdessen DJ Piratos mit seinem Piratensender gegen das Mainstream-Radio und humorlose Ordnungshüter. Sehen muss hier niemand, um zu wissen, was gerade passiert: Die Geschichte geht durch die Ohren und in die Beine.

Insgesamt 100 KünstlerInnen stehen von diesem bis zum nächsten Sonntag im Rahmen der Kulturwoche auf einer ganzen Reihe von Bühnen, vom Thalia Theater über die Markthalle bis zum Museum für Kunst und Gewerbe. Das umfangreiche Programm unfasst Theaterstücke, Musicals, Lesungen, Konzerte, Performances und Ausstellungen mit sichtbarer, aber auch mit taktiler Kunst.

„Ich sehe was, was du nicht siehst“ heißt etwa Heike Hartmanns Hörfilm und Theaterstück, das am Freitag im Ernst Deutsch Theater aufgeführt wird und anhand von Alltagssituationen den natürlichen, aber manchmal auch schmerzhaften Umgang mit Blindheit und Sehbehinderung präsentiert: Theater, das aufklären, aber niemals belehren will.

Auch im Stück „Blickfang“ der Theatergruppe „Nachtsicht“ setzen sich sehbehinderte Jugendliche mit einer Welt auseinander, in der alles zuerst aufs Auge zielt – und stellen der eigenen schmerzhaften Erfahrung ihre Phantasie entgegen.

Was es für die Betroffenen bedeutet, blind oder sehbehindert zu sein, ist für Interessierte außerdem in einem Rahmenprogramm in Erfahrung zu bringen. Auf dem Spielbudenplatz etwa bietet das Institut für Rehabilitation und Integration Sehgeschädigter (IRIS) einen Parcours mit Simulationsbrillen zu unterschiedlichen Augenerkrankungen. Ebenfalls dort führt der Eimsbütteler Turnverein verschiedene Judotechniken vor – die nicht nur der Selbstverteidigung dienen, sondern auch geeignet sind, Kinder mit motorischen Defiziten, ADHS oder Wahrnehmungsstörungen gezielt zu fördern und in ihrer Entwicklung positiv zu beeinflussen.

■ So, 22. 8. bis So, 29. 8., diverse Orte, Infos und Programm: www.blindenwoche.de/KW/Kultuwoche.html