„Das muss keine ernste Sache sein“

FRIEDHOFSGESTALTUNG Ihre Gräber werden zu Porträts der Verstorbenen, die oft nur die Hinterbliebenen verstehen: Die Hamburger Grabgestalterin Christine Ebgen versucht, starke, symbolkräftige Orte der Ruhe zu schaffen

Es ist wichtig, Pflanzen zu wählen, die zu den Lichtverhältnissen des Grabes passen

VON PETRA SCHELLEN

Christine Ebgen sprengt alle Klischees. Denn eigentlich ist sie Friedhofsgärtnerin bzw. Grabgestalterin, und da denkt man bestimmt nicht an eine vitale, humorvolle Person, die den Trauernden Tee aus der Thermoskanne anbietet. Da hat man eher ein hageres Männlein im Kopf, das etwas wunderlich auf dem Friedhof umherstreicht ... .

Aber Christine Ebgen ist anders. „Es muss keine traurige Angelegenheit sein, ein Grab zu bepflanzen“, sagt sie. „Der Tod gehört doch dazu.“ Deshalb erstrahlen ihre Gräber oft in leuchtenden Farben, haben gewundene Wege, geschmackvoll arrangierte Blumen. Mal sind die Gräber poetisch, mal pragmatisch komponiert – je nach Charakter und Hobbys des Verstorbenen.

„Ein Verstorbener war zum Beispiel Maurer. Und da Maurer sehr akkurat arbeiten müssen, haben wir uns für klare, gerade Linien entschieden.“ Solche Gräber, sagt Ebgen, „haben eine starke Symbolik. Sie erzählen eine Geschichte, die nur die Hinterbliebenen verstehen“. Auch das Grab eines ehemaligen Segelfliegers ist so eins. „Er ist bei seinem ersten Flug ohne Lehrer abgestürzt“, sagt sie. „Infolgedessen haben wir das Grab mit hohem Gras bepflanzt, das sich im Wind wiegt. Denn was ist für einen Segelflieger wichtiger als Wind?“

Das seien natürlich Ideen, auf die die Hinterbliebenen nicht immer selbst kämen. „Das erarbeiten wir im Gespräch. Manchmal brauchen wir auch mehrere Telefonate und E-Mails, bevor wir eine Lösung finden.“ Aber genau dieses Mitgestalten sei wichtig für die Hinterbliebenen. „Die meisten“, sagt Ebgen, „suchen mich erst Jahre nach dem Tod ihres Angehörigen auf. Dann existiert bereits ein Grab, das die Angehörigen selbst bepflanzt haben und jetzt gern individueller gestalten möchten.“ Manche seien auch erst nach Jahren fähig, sich nochmals so intensiv mit dem Tod des Angehörigen zu befassen – und einige hätten sogar Angst vor dem Friedhof. „Eine Frau hatte große Ängste, und ich konnte sie mit Mühe bewegen, auf den Friedhof zu kommen, um das Grab ihrer Mutter zu besprechen, mit der sie lebenslang im Zwist gelegen hatte.“ Dann hat Ebgen ihr vom Schmetterlingsgarten auf dem Ohlsdorfer Friedhof erzählt. Die Kundin erwärmte sich für die Idee, besichtigte das Areal – und konnte ein solches Grab schließlich sogar als Versöhnung mit der Verstorbenen betrachten.

Es ist also schon eine Art Trauerbegleitung, die Ebgen da praktiziert, aber sie weiß auch um deren Grenzen: „Wenn es um tiefenpsychologische Dimensionen der Trauerbewältigung ginge, wäre ich sicher überfordert“, sagt sie. Deshalb kommt sie im Gespräch mit dem Hinterbliebenen gern immer wieder auf die Pflanzen zurück – auch beim Bepflanzen des Grabs. Viele ihrer Kunden beteiligen sich an dieser Arbeit, und manche weinen dabei. „Wenn es mir passend erscheint, berühre ich denjenigen dann kurz oder lasse einfach die Stille zu. Ich frage aber nicht nach Details oder versuche mit Worten zu trösten. Ich versuche vielmehr, wieder aufs Konkrete, auf die Pflanzen zurückzukommen; daran kann sich der Trauernde gewissermaßen festhalten.“ Das gilt übrigens auch im Wortsinn: Frauen topfen gern ein oder wässern die Pflanzen, Männer erledigen lieber handwerkliche Dinge, betonieren mal eine Grabvase ein. „Nach getaner Arbeit sind die Menschen enorm zufrieden, weil sie das Grab mitgestaltet haben.“

Damit es keine Enttäuschung gebe, sei es auch wichtig, Pflanzen zu wählen, die zum Boden und zu den Lichtverhältnissen des Grabes passten. „Wenn jemand eine Rose auf ein schattiges Grab pflanzen will, suche ich mit ihm gemeinsam einen Kompromiss. Denn es ist absehbar, dass sich die Rose dort nicht wohl fühlen wird. Und wenn eine solche Pflanze eingeht, stirbt derjenige quasi zum zweiten Mal.“ Das will sie vermeiden. „Das Grab soll ein Ort sein, der beruhigt und tröstet.“

Ebgens eigenes Verhältnis zum Tod habe sich durch ihre Arbeit nicht verändert, sagt sie. Allerdings habe sie sich als Kind auf Friedhöfen nie wohlgefühlt, „weil die Leute da immer so staatstragend traurig guckten“. Das handhabt die ehemalige Bürokauffrau, die mit 33 umsattelte, weil es sie in die Natur zog, anders. Wenn sie mit den Leuten spricht, „sind wir nicht nur ernst. Wir unterhalten uns über Gott und die Welt und lachen viel“.

Ein bisschen passt diese Haltung zu dem Vortrag eines buddhistischen Mönchs, den sie vor einiger Zeit hörte. „Der sprach über den Tod und lächelte die ganze Zeit. Zuerst dachte ich, was hat der denn für Pillen genommen.“ Dann, allmählich, verstand sie seine Gelassenheit. „Er sagte, vom Zeitpunkt unserer Geburt sei klar, wohin die Reise gehe: zum Tod. Wenn man sich das bewusst mache, könne man sich besser darauf einstellen“, sagt sie. Buddhistin ist sie deshalb nicht geworden. Aber es hilft ihr, Trauernde zu trösten.