Die Komik der Dünen

Lyrik, so weit das Auge reicht: 200 Gedichte hat der Hamburger Literat und Schauspieler Nicolas Nowack in der Anthologie „Nordsee ist Wortsee“ versammelt. Es ist der erste Sammelband seiner Art. 60 Autoren von Heine über Heißenbüttel bis zu Kunert und Mayröcker sind darin vertreten

Interview: Petra Schellen

taz: Herr Nowack, braucht die Welt eigentlich eine Anthologie mit Nordsee-Gedichten?

Nicolas Nowack: Ich glaube schon. Denn erstens besuchen jährlich Millionen Touristen dieses Meer, und zweitens hat es, seit Heinrich Heine vor 180 Jahren die Nordsee besang, noch nie eine solche Anthologie gegeben. Außerdem ist die Nordsee ein Meer, das einen direkt emotional anspricht.

Wollen Sie die Nordsee etwa gegen die Ostsee ausspielen?

Auf keinen Fall! Ich fühle mich beiden verbunden und habe als Kind viel Zeit dort verbracht. Aber die Nordsee stimmt einen lyrischer als die Ostsee. Die Nordsee lebt von Extremen, während die Ostsee einfach weniger herausfordert. Dort ist ja sogar der Regen sanft!

Aber letztlich weckt so ein Meer – und sei es die Nordsee – doch ein recht begrenztes Spektrum an Empfindungen. Rechtfertigt das 200 Gedichte zum selben Thema?

Ich finde schon. Schon beim Thema „Geborgenheit im Strandkorb“ kann es sehr verschiedene Facetten geben: Da ist einmal jene Wärme, die man als Kind in Mutters Armen empfand – und zu anderen die entspannte Gelassenheit des erwachsenen Urlaubers …

Wie viele Gedichte wurden eigentlich eigens für Ihre Anthologie geschrieben?

Die weitaus meisten. Prominentestes Beispiel ist Günter Kunert.

Sie schreiben im Vorwort, es gehe Ihnen auch um Komik. Worin liegt die Komik der Nordseeküste?

Na, dann gehen Sie mal an bestimmten Strandabschnitten vorbei! Gerade auf Sylt gibt es da eine Menge zu sehen …

Spielen einige der Gedichte auch auf Historie an – etwa auf die Sturmfluten vergangener Jahrhunderte?

Sehr vereinzelt. Als Reminiszenz an eine literarische Form der Vergangenheit ist die augenzwinkernde Ballade Michael Hasenfuß‘ gedacht.

Geographisch umfasst Ihre Anthologie das Gebiet der Friesen von den Niederlanden über Deutschland bis nach Dänemark. Hegen Sie den Ehrgeiz, deren sprachliches Erbe zu wahren?

In diesem verbissenen Sinne sicherlich nicht. Aber natürlich habe ich sehr bewusst plattdeutsche und friesische Texte aufgenommen – immer versehen natürlich mit einer hochdeutschen Nachdichtung. Denn das Sylter Friesisch sprechen noch gerade 400 Menschen. Dessen Kenntnis kann also nicht unbedingt zur Allgemeinbildung gezählt werden …

Sie sind nicht nur Herausgeber, sondern auch Literat mit Faible für visuelle Poesie. Was muss man sich unter den „Gebeten für Claudia Schiffer“ vorstellen, die Sie einst verfassten? Welcher Art ist Ihre Fürbitte denn gewesen?

Dazu sage ich nichts. Das unterliegt der Deutungshoheit von Germanisten und Feuilletonisten. Da kann jeder seine eigenen Assoziationen entwickeln.

Buchpräsentation: heute, 17.30 Uhr, Buchhaus Voss (Friedrichstr. 27, Westerland/Sylt) Segeltörn auf dem Segler „Roter Sand“ mit den AutorInnen Elisabeth Axmann, Ferdinand Blume-Werry und Herausgeber Nicolas Nowack: So, 10.9., 11–18 Uhr, BremerhavenInfo: www.wattenmeer-safari.de