LESERINNENBRIEFE
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Kleiner Mann gegen Riese Google

■ betr.: „Löschen oder lassen?“, taz vom 19. 8. 10

Swift-Abkommen, Vorratsdatenspeicherung, Biometrischer Pass, Krankenkassenchipkarte, Harz-IV-Chipkarte, Payback-Karten, Überwachung per Autobahnmaut, Adressdatenbanken … es gibt so viel, worüber man sich zu Recht aufregen kann, aber die Medien schweigen. Und dann ausgerechnet Protest gegen Google Street View. Wer hat eigentlich dieses Fass aufgemacht? Ich wünschte mir auch von euch mehr Aufklärung. Selbst eurem Contra-Schreiber fiel nichts ein außer allgemeinem Unbehagen. Geschenkt, das Unbehagen teile ich, aber das ist kein Argument gegen Street View. Was ist denn dieses „Missbrauchspotenzial“? Im Gegensatz zu den oben aufgezählten bedenklichen Techniken hat Street View einen praktischen Nutzen. Ist ein Gebäude/öffentlicher Platz für Rollstuhlfahrer zugänglich? Wo sind markante Punkte, an denen man sich orientieren kann? Will ich mir in dieser Gegend eine Wohnung suchen? Wo plane ich meinen Urlaub? Es ist Zeit, den öffentlichen Raum zu verteidigen und dazu gehört das Recht ihn zu fotografieren. Ich wünschte mir Aigner, Künast und Konsorten würden sich da einsetzen, wo Datenschutz und Privatsphäre tatsächlich in Gefahr sind. Aber dann müsste man sich ja an die eigene Gesetzesnase packen und könnte sich nicht als Vertreter des kleinen Mannes gegen den unheimlichen Riesen Google inszenieren. TIM ARETZ, Kessel-Lo, Belgien

Sündenbock

■ betr.: „Ein Land im Pixelrausch“, taz vom 19. 8. 10

Wer sich über Google Street View beschwert, sollte sich auch über Digitalkameras oder Handys mit Digitalkameras beschweren, weil damit auch Bilder gemacht und unerwünscht genutzt werden können. Microsofts Angebot Bing-Maps zeigt auch Immobilien und Menschen unverschlüsselt, die missbraucht werden können. Kann es sein, dass Google Street View als Sündenbock und Ablenkung von den bisherigen Überwachungspraktiken der Privatsphäre dienen soll? RALF KUKE, Erfurt

Dann macht doch!

■ betr.: „Atomkonzerne: Wir schalten ab“, taz vom 16. 8. 10

Die großen Energieunternehmen drohen im Falle einer neuen Steuer, die Atomkraftwerke abzuschalten: Hahahahahahahaha, Hahahahahahahaha hahahahahahaha, Hahahahahahaha hahahaha. Pfffrrrrrr..... HAHAHAHAHAHAHA Hahaha, Hahahahahahahahahahahaha. Hahahahahahahahahaha, ahahahahahahahahahahahahaha, hahahahahahahahaha hahaha, Hohohoho, Hahahahahahaha Hahahahahahahaha, Hahahahahaha hahahaha ha ha ha ha… hihi… Dann macht doch! GERGELY RÁCZ, Mainz

Der Pharmaindustrie Paroli bieten

■ betr.: „Der Patientenfreund“, taz vom 18. 8. 10

Wenn die Neuordnung des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen wie von Gesundheitsminister Rösler beabsichtigt kommen sollte, kann das Institut seine Aufgabe (Kosten-Nutzen-Analysen), für die es eingerichtet wurde, wohl kaum mehr aufrechterhalten. Um der Pharmaindustrie Paroli zu bieten, müsste das Institut personell aufgestockt werden, damit es tatsächlich die jährlich etwa 20 bis 30 neuen Präparate auf ihren Zusatznutzen hin untersuchen könnte. Zudem wurden dem Institut bereits in der Vergangenheit relevante klinische Studien von den Pharmafirmen vorenthalten; wie weit die Firmen dazu nach dem neuen Gesetz tatsächlich gezwungen werden können, ist nicht abzusehen. Jedenfalls ist nicht ersichtlich, wie das Gesetz zur Eindämmung der Gesundheitskosten funktionieren soll. Helga Schneider-Ludorff, Oberursel

Schmerzlinderung mit Cannabis

■ betr.: „Guter Stoff“, „Cannabis für Kranke“, taz vom 18. 8. 10

Die von Matthias Bröckers herbeigewünschte Cannabispflanze auf dem Balkon ist sicher keine Lösung für den im Hospiz liegenden Palliativpatienten, dem der Zugang zu einer cannabisbasierten Therapie bisweilen immer noch verwehrt bleibt. Das haben auch bei der Bundestagsdebatte zu Cannabis in der Medizin im Oktober 2008 alle relevanten medizinischen Fachkreise festgestellt. Es ging damals wie heute auch darum, zunächst den am schwersten Betroffenen Linderung zu verschaffen. Dazu haben wir uns als Patienteninitiative 1996 gegründet und ab 1998 Dronabinol, später auch den in Einzelfällen verschreibbaren Cannabisextrakt produziert. Die wirkliche Gefahr ist, dass eine von der Bundesregierung angestrebte Einengung auf cannabishaltige Fertigarzneimittel besonders Patienten mit seltenen Erkrankungen an den Rand drängt, da für seltene und wenig lukrative Indikationen die Zulassungen nicht beantragt werden. Das gesamte Spektrum unterschiedlicher Dosierungen und Applikationsformen steht aber nur über die Rezeptur und die Zusammenarbeit zwischen Arzt und Apotheker zur Verfügung. HOLGER RÖNITZ, Frankfurt/M.