Zensur trotz Olympia 2010

Auslandskorrespondenten in China protestieren gegen die systematische Behinderung durch die Behörden

Der Countdown zu den Olympischen Spielen in Peking läuft: In genau zwei Jahren, am 8. 8. 2008, werden tausende Sportler, eine halbe Million Besucher und 20.000 Journalisten aus allen Teilen der Welt zur Eröffnungsfeier in der chinesischen Hauptstadt erwartet.

Doch die Hoffnung auf mehr Pressefreiheit im Vorfeld der prestigeträchtigen Veranstaltung hat sich bislang nicht erfüllt – im Gegenteil: Die Arbeit ausländischer Journalisten wird in China weiterhin systematisch behindert. Jetzt schlagen die Korrespondenten Alarm: Mindestens 38-mal wurden Journalisten internationaler Medien in den letzten zwei Jahren bei der Arbeit festgenommen, berichtete gestern in Peking der Verein der Auslandskorrespondenten in China (FCCC): Dabei wurden die Reporter und ihre Informanten in zehn Fällen auch körperlich bedrängt – bis hin zu Schlägen, offenbar von gedungenen Dunkelmännern, unter den Augen der Polizei. In 21 Fällen wurden darüber hinaus Notizen und Bilder vernichtet.

Besonders empfindlich reagierten die Behörden häufig, wenn ausländische Journalisten an Orten auftauchten, wo es zu Umweltprotesten oder Landstreitigkeiten gekommen war, oder wenn sie Aids-Dörfer besuchen wollten. So wurde der China-Korrespondent der Frankfurter Rundschau, Harald Maass, am Sonntag massiv bei seinen Recherchen zum Überfall auf den Umweltaktivisten Fu Xinancai (taz vom 14. 06.) behindert. Auch taz-Korrespondent Georg Blume war Anfang Juli bei Recherchen zu dem umstrittenen Staudammprojekt in der Südostprovinz Yunnan, gegen das sich Fu engagiert, fünf Stunden von der Polizei festgehalten worden.

Schlimmer erging es chinesischen Assistenten, die für internationale Medien übersetzen oder für sie Informationen sammeln: So sitzt der Mitarbeiter der New York Times, Zhao Yan, seit fast zwei Jahren in Haft – ohne Gerichtsurteil.

FCCC-Präsidentin Melinda Liu, die für das amerikanische Magazin Newsweek aus China berichtet, warf der Regierung in Peking nun vor, sich nicht an die Verpflichtung zu halten, die sie dem Internationalen Olympischen Komitee gegeben hatte. Bei der Bewerbung hatte Peking 2001 versprochen, „den Medien komplette Freiheiten zu gewähren, wenn sie nach China kommen“. Bis heute jedoch müssen nach den offiziellen Regeln alle ausländischen Journalisten jede ihrer Recherchereise in eine andere Ortschaft oder Provinz von den örtlichen Behörden genehmigen lassen. In der Praxis machen solche Vorschriften eine vernünftige Berichterstattung unmöglich – vor allem, wenn es um aktuelle oder kontroverse Ereignisse geht. Journalisten, die sich an die Regeln halten, machen immer wieder die Erfahrung, dass lokale Beamte bei allen Interviews dabei sein wollen und unerwünschte Fragen unterbinden. Dies zwingt die Korrespondenten dazu, ohne Genehmigung zu reisen.

FCCC-Präsidentin Liu forderte die Behörden jetzt auf, die Regeln abzuschaffen, die „den Normen eines olympischen Gastgebers widersprechen“. Derzeit sind über 200 ausländische Journalisten in Peking akkreditiert, von denen 31 für deutsche Medien berichten.

JUTTA LIETSCH, Peking